Lora soll nicht Gassi gehn

■ Bremer Tierschützer machen in ihrem Vogelmagazin „Freiflug“ gegen ein Papageiengeschirr mobil: Die exotischen Vögel sollen nicht an die Leine gelegt werden

Sonntagnachmittags mit dem geliebten Hyazinth-Ara (Anodo-rhynchus hyacinthinus) an der Weser entlang flanieren, das Geflügel dabei lässig an der Leine kreisen lassen wie einen Drachen – das ist der Stoff aus dem die Träume manches Tierhalters zu sein scheinen. In Bremen ist es derzeit allerdings besonders schwer verpönt, den geflügelten Freund mit dem nötigen „Papageienharness“ aufzurüsten – zwei Riemen, von denen einer um die Brust, der andere um den Hals des Vogels gelegt wird.

Dort nämlich setzt sich Hans-Hermann Braune vom Papageienschutz-Centrum seit Jahren für die Rechte der bunten Federträger ein. Im Vereinsorgan „Freiflug“ finden sich regelmäßig Artikel wie „Rupfen – ein Papageienleid mit vielen Ursachen“. Klar, dass sich die jüngste „Sonderausgabe“ des Vogel-Magazins völlig dem Flugtier-Geschirr widmet.

„Es gibt sogar noch viel Schlimmeres“, sagt Braune. „Schuld sind immer die Besitzer: Sie nennen sich Papageienfreunde, dann rücken sie den Tieren mit Kaninchengeschirren zu Leibe“, erzählt er. „Angeblich der längeren Leine wegen. Es ist eine Schande!“, meint Braune verbittert. „Viele sind über Menschen wie mich sauer, die gegen den Harness Front machen“, sagt Braune. Aber das ist ihm egal. Diese Vogelhalter wollten keinen „Freiflug und finden, das Geschirr sei der einzige Weg, dem Tier frische Luft und Sonnenlicht zukommen zu lassen“. Für Braune ist der Harness jedoch nur eins: Tierquälerei.

Deshalb ist bei „Baums Tierparadies“ in Vegesack die Papageienwelt auch noch in Ordnung. „Sowas wie ein Hundegeschirr?“, fragt der Chef entgeistert, als er vom Harness hört. Dabei gibt es vier verschiedene Geschirr-Größen.

Und zwar im Internet. Die amerikanische Errungenschaft hat sich auf dem deutschen Markt bis dato noch nicht durchgesetzt. Der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) hat die Konstruktion dennoch bereits auf die Liste „tierschutzwidriger Heimtierbedarfsartikel“ gesetzt – direkt neben das klassische Goldfischglas, das Hamsterauto und die Netzhängematte für Leguane.

„Die Vertreiber preisen das Geschirr als großen Fortschritt an“, erklärt ZZF-Pressesprecherin Anje Schreiber. „Die Tiere könnten sich nicht mehr die Füße ausreißen – wie bei den bisher verbreiteten, ebenfalls geächteten Fußketten.“ Der Vorteil ist allerdings gering, denn die Gerätschaft verschont zwar die Vogelfüße, beeinträchtigt dafür aber die Atmung. Sie drückt auf Bauch und Kropf und schädigt das Gefieder.

Auch das Überstreifen der Vogelleine ist für die bunten Exoten eine Quälerei, und sollte sich ein Vogel mitsamt Harness der Hand seines Halters entwinden, droht sich die Leine in Bäumen zu verfangen und dem Tier ein grausames Ende zu bereiten.

„Die Geschirre sollten erst gar nicht ins Sortiment des deutschen Zoofachhandels geraten“, folgert ZZF-Präsident Klaus Oechsner aus dieser Mängelliste. Über das Internet ist die Bestellung der Papageien-Ausrüstung allerdings längst möglich. „Happy Bird“ aus Geilenkirchen bietet ein Ara-Geschirr schon für 59 Mark an.

Unter „www.kaytee.de“ stößt man auf einen Harness-Anbieter, der verkündet: „Hier würden Vögel einkaufen“. Und: „Wir haben ihn getestet“.

Rückendeckung bekommt der Bremer Tierschützer Braune indessen direkt aus Berlin. „Das Anleinen von Papageien ist aus tierschutzrechtlichen Gründen abzulehnen“, sagt eine Vertreterin des Ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Das Anbieten von Papageiengeschirr könne man zwar nicht untersagen, Händler sollten aber auf den Vertrieb verzichten. Der Käufer mache sich mit der illegalen Anwendung der legal erworbenen Ware nach dem Tierschutz-Gesetz sogar strafbar.

Die Vision von angeleinten Papageien im Bremer Stadtbild wird wohl ein unerfüllbarer Traum von Tierbesitzern bleiben, die offensichtlich mehr als nur einen Vogel haben.

Christoph Kutzer