Bauern pro Gen

Bauernverband lädt zur „offenen Diskussion“ über Gentechnik und warnt vor „überzogener Risikodebatte“

BERLIN taz ■ Die Begrüßung war provokant und sprach für sich: Die „lieben Freunde der Gentechnik“ hieß Theo Jachmann vom Agrarkonzern Syntega herzlich willkommen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hatte zum „offenen Perspektivforum zur Zukunft der grünen Gentechnik in Deutschland“ geladen. Und Jachmann war erster Redner.

Ein wenig „mehr Sachlichkeit“ anstelle einer „überzogenen Risikodiskussion“ wolle man in die Debatte um die gentechnisch veränderten Organismen bringen, betonte Gerd Sonnleitner, Präsident des DBV bei der Eröffnung. Denn während die sogenannte „rote Gentechnik“ in der Medizin in Deutschland und Europa allgemein akzeptiert würde, löse die grüne Gentechnik bei vielen „diffuse Ängste“ aus. Tatsächlich haben sich in einer Umfrage der Europäischen Union im Dezember letzten Jahres 71 Prozent der Europäer gegen Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen ausgesprochen. Etwa 60 Prozent befürchten, dass die manipulierten Pflanzen sich negativ auf die Umwelt auswirken könnten.

Befürworter beeindruckt das wenig: „Die Frage, ob wir in Europa mit gentechnisch veränderten Produkten arbeiten oder nicht, die stellt sich überhaupt nicht mehr“, so Klaus Dieter Schuhmacher vom Verein der Getreidehändler der Hamburger Börse. „Die Gentechnik hat längst Einzug gehalten.“ Rund 40 Millionen Tonnen Ölsaaten wie Raps und Sojabohnen, die zumindest teilweise gentechnisch verändert seien, würden jährlich nach Europa importiert. Auch 50 bis 60 Prozent der Futtermittel seien inzwischen mit verändertem Soja versetzt. In Ländern wie den USA oder Argentinien, wo schon lange mit Gentechnik gearbeitet wird, habe sich die Anbaufläche von Gensoja auf 74 bzw. 99 Prozent der gesamten Anbaufläche vergrößert. Weltweit würden mehr als 50 Millionen Hektar mit gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut.

„Wir dürfen deshalb die Chancen der grünen Gentechnik in Deutschland nicht verspielen“, argumentierte auch Bauernpräsident Sonnleitner. Es gebe nicht zu leugnende produktionstechnische und wirtschaftliche Vorteile für die Land- und Agrarwirtschaft. „Wir wollen dem bisher nicht geneigten Verbraucher aber die Freiheit lassen, selbst zwischen gentechnisch veränderten und normalen Lebensmitteln zu wählen“. Aber gerade dafür brauche man ja genveränderte Produkte. Der Bauernverband befürworte die dafür notwendige Kennzeichnung – allerdings nur bei Produkten, in denen Genveränderungen direkt nachweisbar seien. Rindfleisch von mit Gensoja gefütterten Kühen müsse etwa von der Kennzeichnungspflicht ausgeschlossen werden, weil der Verwaltungsaufwand zu hoch sei, so Sonnleitner.

„Die EU-Kommission hat relativ detaillierte Pläne zu genau solch einer Kennzeichung“, widersprach Christoph Then, Gentechnikexperte von Greenpeace gegenüber der taz. „Der Bauernverband stellt sich eindeutig auf die Seite der Industrie anstatt auf die der Verbraucher.“ Nach wie vor seien die Folgen von grüner Gentechnik nicht abschätzbar, die Züchtungen nicht ausgereift. Then: „Von einer offenen Debatte kann bei dieser Veranstaltung keine Rede sein“.

SUSANNE AMANN