Mein Freund der Baum ist tot

■ Bremer Baumschutzverordnung wird überholt/ Noch gibt es 46.000

An der A 27 werden 3.500 Bäume abgeholzt – zur Straßenverbreiterung. Für den Ausbau der Straßenbahn-Linie 4 sind knapp 100 Bäume gefallen. Auf dem Gelände des Zentralkrankenhauses Bremen Nord sollen 70 alte Buchen abgesägt werden, weil das Krankenhaus mehr Parkplätze benötigt. In der Osterholzer Feldmark sind 24 Eichen der Säge zum Opfer gefallen – eine Statistik, die NaturschützerInnen auf die Palme bringt.

Am Montagabend stellte der Baumschutzexperte Hans-Rolf Höster bei einer Diskussionsveranstaltung darüber, wie Bremen mit seinen Bäumen in der Stadt umgeht, dann auch der Bremer Baumschutzverordnung ein schlechtes Zeugnis aus: Im Vergleich zu den Regelungen in anderen Bundesländern sei die Bremer Verordnung eine der schlechtesten. Er forderte im Rahmen der Novellierung gerade für Bäume im öffentlichen Raum einen grundsätzlichen Schutz: Alle Bäume sollten geschützt werden, nicht erst ab 100 Zentimeter Stammumfang aufwärts, wie bisher. Wichtig sei weiterhin, dass keine Oberflächenversiegelung im Baumschatten und keine Bodenverdichtung rund um den Baum erfolgen dürfe. Staatsrat Fritz Logemann aus dem Umweltressort versprach, diese Anregungen mitzunehmen und sie so gut wie möglich in die neue Verordnung einzubauen.

Dieser Theorie hielt Karin Mathes von der grünen Bürgerschaftsfraktion entgegen, die politische Praxis sehe anders aus: Bei der großen Koalition sehe sie keine Berücksichtigung von Umwelt- und Naturschutzaspekten. Als Beispiel nannte sie das alte Buchenwäldchen auf dem Gelände des ZKH Nord, das sich in einem Landschaftsschutzgebiet befindet. Die Umweltdeputation hat den Landschaftsschutz aufgehoben. Dabei sei ein vom BUND erstelltes Gutachten zu Alternativen nicht hinreichend beachtet worden, so Mathes.

Holger Bruns, Sprecher der Umweltsenatorin Christine Wischer, sieht die Aufregung um die derzeitigen Abholzungen saisonal bedingt: Jedes Jahr kurz vor Beginn der neuen Vegetationsphase würden sich die Bauunternehmer drängeln, noch schnell die Bäume abholzen zu dürfen, die ihrem Bauvorhaben im Wege stünden. Sonst müssten sie bis zum Ende der Vegetationsperiode warten, was das Bauen erheblich verzögere. Jedes Jahr gebe es etwa zu diesem Zeitpunkt einen Aufschrei, weil so viele Bäume auf einmal gefällt würden.

Bruns listete auf, dass an der Linie 4 für die knapp 100 gefällten Bäume 350 neue gepflanzt würden. Gerade dort würde auch ein erheblicher Aufwand betrieben, um eine alte Rotbuche zu retten. Weiterhin seien an der Georg-Bitter-Trasse für die 48 gefällten Bäume 398 neue gesetzt worden. Natürlich wisse auch er, dass die jungen Setzlinge noch nicht in gleichem Maß Kohlendioxid abbauen könnten wie alte Bäume. Er verwies aber auf die langfristige Wirkung der Anpflanzungen. Bremen habe mit rund 46.000 Straßenbäumen mehr Bäume als je zuvor.

Die Baumschützer lassen sich von solchen Zahlen nicht beirren: „Für einen alten Laubbaum müss-ten über Tausend junge Bäume gepflanzt werden. Die Ausgleichspflanzungen reichen nicht“, sagte Hans-Rolf Höster. „Wir müssen um jeden Baum kämpfen“, folgerte Herbert Brückner, früherer Bremer Umweltsenator und Umweltbeauftragter der evangelischen Kirche. Ulrike Bendrat