Wunschkandidat gibt auf

Electrite de France verliert Interesse am tschechischen Stromversorger CEZ. Damit gerät die komplette Privatisierung in Gefahr. AKW Temelín beendet Testbetrieb

PRAG taz ■ „Planmäßig“ hat das umstrittene Atomkraftwerk Temelín diesmal seinen Betrieb eingestellt. Wie ein Kraftwerkssprecher am Wochenende dem Tschechischen Rundfunk sagte, werden jetzt Wartungsarbeiten am Meiler durchgeführt. Nach erfolgreichem Abschluss soll die Anlage einen auf 18 Monate angesetzten Testbetrieb aufnehmen.

Nicht planmäßig gab dagegen der Favorit auf: Der französische Electrite de France (EdF) zog sich in der vergangenen Woche aus der Privatisierungsschlacht um die Tschechischen Elektrizitätswerke (CEZ) zurück. Bei einem Preis von 200 Milliarden Kronen (etwa 65 Millionen Euro) sei ihnen die CEZ, unter anderem Betreiber von Temelín, zu teuer, begründeten die Franzosen. Zudem hätte die tschechische Regierung zu viele Bedingungen an den Verkauf des Stromerzeugers geknüpft. Unakzeptabel sei für die EdF zum Beispiel, dass sie sich mit dem Kauf der CEZ verpflichten müsste, in den kommenden 15 Jahren jährlich 27,7 Millionen Tonnen tschechischer Braunkohle zu verstromen.

In Wirklichkeit liegt die Katze aber in Südböhmen begraben, glaubt Jan Haverkamp von Greenpeace. „Die EdF weiß, dass Temelín sich nicht halten wird.“ Für Haverkamp ist das Kostenargument nur vorgeschoben: „Die EdF will durch Temelín nicht alle Atomkraftwerke diskreditieren.“ Tatsächlich hatte die EdF im Dezember noch mehr als die geforderte Summe geboten – 213 Milliarden Kronen (knapp 70 Millonen Euro), freiwillig und mit Segen der französischen Regierung.

Auch die Kohlequote sei eine faule Ausrede, sagt Havekamp. Mit ihr suchen die regierenden Sozialdemokraten ihre Klientel – die Kohlekumpels in Nordböhmen – zu besänftigen. Die nämlich fürchten, dass sie ein laufendes AKW um ihre Jobs bringt. Immerhin produziert Tschechien auch ohne Temelín jährlich 10.000 Gigawattstunden Stromüberschuss. Weil die konservative „Bürgerlich-Demokratische Partei“ im traditionell roten Norden des Landes eh keine Chance hat, würde die Schließung der Kohlegruben vor allem die Kommunisten stärken. Und das, sagt Havekamp, sei nicht im Interesse der Franzosen.

Aufstoßen dürfte der EdF dagegen die Haftung für das AKW. Eigentlich hatte Premierminister Miloš Zeman und EdF-Boss Francoise Roussely in einem nächtlichen Treffen einen Deal ausgehandelt: Wenn die EdF die für die CEZ geforderten 200 Milliarden Kronen zahlt, übernimmt die Regierung die Haftung. Nur hatte Zeman die Rechnung ohne das Parlament gemacht. Das lehnte ab, im Falle eines Unfalls oder einer Stilllegung die Haftung für den Brüter zu übernehmen.

Der EdF-Rückzug droht nun die CEZ-Privatisierung komplett zu gefährden. Attraktive Übertragungsnetze, Temelín und Braunkohlekraftwerke – der Plan sieht vor, das Energiekonsortium als Ganzes zu verkaufen. Der Käufer muss sich zudem verpflichten, das gesamte CEZ-Aktienpaket bis 2010 zu halten. Kein Problem für den staatlichen Monopolisten EdF, umso mehr aber für die beiden Konsortien, das italo-spanische Enel/Iberdrola und das britisch-amerikanische Power/NRG Energy, die sich im Dezember zurückzogen. Und die deutschen RWE und Eon sind zwar stark am CEZ-Übertragungsnetz interessiert, schrecken aber aus Imagegründen vor dem AKW Temelín zurück.

Deshalb trotzt jetzt die tschechische Regierung ein bisschen. Dann würden die CEZ eben nicht verkaufen, ließ der Regierungschef verlauten. Beobachter sind allerdings sicher, dass spätestens die nächste Regierung die CEZ verkaufen wird – zumindest teilweise. Gewählt wird Mitte Juni.

ULRIKE BRAUN