Der Osten in schwedischer Hand

Bundeskanzler Schröder gibt grünes Licht für neuen Energiekonzern in Ostdeutschland. Vattenfall aus Schweden garantiert die Produktion von jährlich 50 Terrawattstunden Braunkohlenstrom, Bund verzichtet auf Teil des kalkulierten Kaufpreises

aus Berlin NICK REIMER

Schon wieder ein guter Tag für Deutschland. Diesmal speziell „für den Energiestandort und insbesondere für die neuen Länder“. Mit dieser Parole gab gestern Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin grünes Licht für die Bildung der so genannten vierten Kraft auf dem deutschen Energiemarkt. Unter dem Dach der schwedischen Vattenfall steht dem Zusammenschluss der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW), der Berliner Bewag mit den ostdeutschen Braunkohleverstromern Laubag und Veag nichts mehr im Wege.

Dass sich der Regierungschef persönlich in die Unternehmensgestaltung einschaltete, hängt in diesem Fall mit der Privatisierung von Veag und Laubag zusammen. Die Käufer, RWE und E.on, zahlten 1994 eine erste Rate von etwa zwei Milliarden Mark und vereinbarten einen später zu zahlenden Restkaufpreis. Errechnet werden sollte dieser aus der Liquiditätsentwicklung der Veag in den Jahren 1994 bis 2012, bei der Laubag nach der Braunkohlen-Fördermenge.

Vattenfall hat sich jetzt mit dem Treuhandnachfolger BvS auf eine vorzeitige Abgeltung aller bestehenden Ansprüche des Bundes geeinigt. Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson bezeichnete die Vereinbarung als „für beide Seiten zufrieden stellend“. Danach garantiert Vattenfall bis 2012 die jährliche Produktion von 50 Terrawattstunden Braunkohlestrom, schafft 500 neue Ausbildungsplätze und zahlt 412 Millionen Euro in die Kasse von Hans Eichel. Zu wenig, wie Kritiker behaupten. Vor Jahresfrist hatte die BvS in einem internen Schreiben die Restkaufsumme noch mit rund 600 Millionen Euro beziffert, gleichzeitig aber darauf verwiesen, dass die HEW als Käufer allenfalls 295 bis 372 Millionen Euro zu zahlen bereit sei. Sekundiert wird dieses HEW-Gebot durch die Veag selbst. „Der Cashflow hat sich nicht so entwickelt, wie 1994 vermutet. Wir stehen momentan mit sechs Milliarden Euro in der Kreide“, erklärt Veag-Sprecher Rainer Knauber. Im Jahre 2012 werde daher beim Cashflow allenfalls eine schwarze Null erwartet.

Mit dem gestrigen Kanzlerwort endet ein achtzehnmonatiges Tauziehen um die Neuordnung des deutschen Strommarktes. Neben den Schweden hatten auch spanische und vor allem US-amerikanische Konzerne versucht, die unternehmerische Führung der „vierten Kraft“ zu bekommen. Die Ordnung des neuen Unternehmens soll nun bis zum Sommer abgeschlossen sein.

Ein Problem besteht darin, dass die Teilunternehmen von unterschiedlichen Gewerkschaften dominiert werden. Ver.di bei der Berliner Bewag, die IG Metall bei der Hamburger HEW und die IG Bergbau streiten um die Positionen im Aufsichtsrat und damit um Einfluss. Zudem befürchtet die HEW, dass die Verlegung der Konzernzentrale von Hamburg nach Berlin drastische Personalreduzierungen mit sich bringt. Klar ist allerdings schon heute, dass die Gesamtbilanz der Einzelunternehmen Vattenfall Europe zum drittgrößten deutschen Stromkonzern macht – hinter RWE und E.on, aber noch vor EnBW.