fischer kritisiert usa
: Wahlkampf statt Demut

Als unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten hat Friedrich Merz kritische Äußerungen zur Erhöhung des US-Verteidigungsetats bezeichnet, mit denen der Spiegel Joschka Fischer zitiert. So deutlich wie der Fraktionschef der Union hat es noch niemand auf den Punkt gebracht. Während Berlin sich in immer größeren Teilen der Welt zur Einmischung auch mit militärischen Mitteln durchaus für berechtigt, ja sogar für verpflichtet hält, beschreibt Merz das deutsch-amerikanische Verhältnis mit Worten aus der Zeit des Kalten Krieges. Damals war der Hinweis auf innere Angelegenheiten die Standardformulierung des Ostblocks, um sich Kritik des Westens zu verbitten. Die DDR hielt ihre Beziehung zu Moskau mit dem Begriff der „unverbrüchlichen Freundschaft“ für hinreichend beschrieben.

Kommentarvon BETTINA GAUS

Hier sollen nicht die USA mit der Sowjetunion gleichgesetzt werden. Im Gegenteil. DDR-Politiker konnten wenigstens geltend machen, dass ihnen öffentlich geäußertes Unbehagen am sowjetischen Kurs wohl tatsächlich nicht gut bekommen wäre. Vergleichbares haben deutsche Politiker heute von Washington nicht zu befürchten. Das hindert sie nicht an einer ähnlich demütigen Haltung. Der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose findet, dass Kritik an den USA nicht öffentlich geäußert werden solle. Sein Parteifreund Karsten Voigt fürchtet, dass antiamerikanische Töne die Chance zunichte machen könnten, in Washington Gehör zu finden.

Anlass für diese Ergebenheitsadressen war Fischers ungewöhnlich deutliche Missbilligung der US-Drohungen gegen den Irak – ungewöhnlich für ihn, wohlgemerkt. Manche seiner europäischen Amtskollegen hatten diese Position schon früher bezogen. Friedrich Merz wirft dem Politiker nun vor, die Außenpolitik für den Wahlkampf zu missbrauchen. Ja, das wird wohl so sein. Bis vor kurzem meinte auch Fischer, er habe die Politik der USA nicht zu kritisieren. Seither sind allerdings die Grünen auf dem Politbarometer erstmals unter 5 Prozent gerutscht.

Ob die Strategie des Wahlkämpfers aufgeht, ist zweifelhaft. Es zahlt sich selten aus, die Öffentlichkeit zu unterschätzen. Wer zum Einsatz von Streubomben schweigt und über die Entsendung deutscher Soldaten nach Kuwait kein skeptisches Wort verliert, der muss seine potenziellen Wählerinnen und Wähler schon für ungewöhnlich leichtgläubig halten, wenn er plötzlich mit kritischem Freimut zu punkten versucht.

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