Der Gschaftlhuber dirigiert

„Der macht ganz schön auf dicke Hose“: Interimstrainer Falko Götz erweckt die Belegschaft von Hertha BSC zu neuem Leben. Bei 1860 München springt ein lockerer 3:0-Auswärtssieg heraus

aus München THOMAS BECKER

So lange ist das ja noch gar nicht her, dass Falko Götz seine Samstagnachmittage in Stollenschuhen und kurzen Hosen verbrachte. Kein Wunder, dass so einer auch als Trainer nah dran sein will am Geschehen auf dem Platz und nicht wie festgebunden auf der Bank sitzt, sondern die Coaching Zone bis in den letzten Winkel erforscht. Falko Götz dirigiert. Gestikuliert. Fingerzeigt. Händefuchtelt. Würde bei Gegners Freistoß am liebsten hinters Tor eilen und die Mauer selbst sortieren. Beschwert sich bei einer Einwurfentscheidung an der Mittellinie, als ginge es um den spielentscheidenden Elfmeter – da steht es 3:0 für Hertha, Minute 88. Klar, der Mann ist halt voll bei der Sache, war bis vor zwei Wochen noch Chefkoordinator der Jugendabteilung, durfte gerade zum ersten Mal Bundesligatrainer werden, da hängt man sich rein, sagen die einen. Andere meinen: „Der macht ganz schön auf dicke Hose.“ In München, wo Hertha BSC problemlos gegen inferiore 60er 3:0 gewann, nennt man Leute wie Falko Götz „Gschaftlhuber“: Menschen, die sich wichtiger geben und nehmen, als sie sind.

Egal. Was zählt, sind die Zahlen: zwei Spiele, zwei Siege, 5:0 Tore – das ist Rekord, wie die Zahlenkrämer von „ran“ prompt und blitzgescheit feststellten. „Götz ist der erste Hertha-Trainer, der zum Einstand zweimal in Folge gewann“, verkündete Wontorra triumphierend. Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen. Nun mag man über „den schönen Falko“, den „Dressman“ und „Disco-Gänger“, der einst wieder Styling-Gel und fliederfarbene Hemden in die Liga brachte und es schafft, immer im richtigen Moment zu lächeln, denken wie man will – es fällt auf: Spieler, die Monate lang reichlich Mühe mit sich und dem Ball hatten, sind aufgewacht und funktionieren plötzlich prima.

Bestes Beispiel: Michael Preetz. Anfang November gegen Köln hatte der Torjäger zuletzt ein Tor erzielt. Gegen die generöse Löwen-Defensive wurden es gleich zwei: In Minute zwölf schob er nach trefflicher Vorarbeit des jungen Thorben Marx aus fünf Metern ein, hätte bis dahin schon zweimal treffen müssen, scheiterte aber an Pfosten und Außennetz. 736 Minuten Leidenszeit waren zu Ende: „Das ist befreiend, vor allem, wenn man ständig vorgerechnet bekommt, wie lang das schon dauert.“ Nach Beinlichs allseits heftig bejubeltem Innenpfostenknaller zum 2:0 ließ Preetz nach präziser Hartmann-Flanke per Kopf noch das 3:0 folgen, was die paar Dutzend Hertha-Fans in der Südkurve kurz nach der Halbzeit zu einer Mischung aus Pogo und Polonäse veranlasste und Preetz zu Dribblings weit vor dem Strafraum – verkehrte Welt.

Warum das so ist und eine Mannschaft nach zwei Wochen Götz wieder rennt, spielt, kämpft? Götz weiß es: „Das ist das Phänomen Trainerwechsel.“ Dieter Hoeneß, der Manager, weiß es offenbar nicht: „Man sieht einfach, dass die Mannschaft gewillt ist, nach vorne zu spielen. Aber mit dem Trainer hat das nichts zu tun.“ Hertha gewinnt, und keiner weiß warum. Fußball ist halt doch nicht immer so einfach. Immerhin: Hoeneß scheint zufrieden mit dem Neuen. „Götz weiß, dass er eine außergewöhnliche Chance bekommen hat. Und ich habe sie ihm gern gegeben.“ Wie immer wechselte er in der zweiten Halbzeit von der Tribüne hinab auf die Bank, begrüßte den Coach mit einem kurzen, gut gelaunten Klaps. Da stand es aber auch schon 3:0. „Das hat mir gut gefallen heute. Aber mit Beruhigtsein hat das nichts zu tun. Es gibt noch einiges zu tun.“ Der Angestellte Götz wird nicht zögern und die Ärmel hochkrempeln, wie er es früher als Spieler auch tat. Logisch, dass er vor der Pressekonferenz daran denkt, das Haupthaar über dem gut gebräunten Gesicht zu sortieren. Nach dem Spiel ist Falko Götz aber auch noch ganz Spieler. Mit einer chefmäßigen Handbewegung hatte Hoeneß die Hertha-Profis in die Fankurve geschickt. Götz parierte, deutete ebenfalls Richtung Kurve. Am liebsten wäre er wohl mitgelaufen.