Reporter zwischen Leben und Tod

Der amerikanische Journalist Daniel Pearl ist seit drei Wochen in den Händen muslimischer Fundamentalisten

Ist Daniel Pearl noch am Leben? Der Südasien-Bürochef der amerikanischen Tageszeitung Wall Street Journal ist vor drei Wochen in der Nähe der pakistanischen Hafenstadt Karatschi entführt worden. Seitdem gab es nur ein Foto von ihm, gefesselt und in der Gewalt muslimischer Fundamentalisten, die ihm eine Pistole an die Schläfe halten. Zwar glauben die Behörden einige der Täter festgenommen zu haben, aber Aufschluss über den Verbleib des Journalisten haben sie noch nicht bekommen.

Die Ermittler meldeten am vergangenen Donnerstag, der Hauptverdächtige Scheich Ahmed Omar Saeed sei entgegen seinen früheren Aussagen nicht mehr überzeugt, dass Pearl noch am Leben sei. „Wenn Omar nicht mehr hundertprozentig sicher ist, wie können wir zuversichtlich sein?“, begründeteten Ermittler der Zeitung News gegenüber ihre Vermutung, Pearl sei längst getötet worden.

Noch am selben Tag veröffentlichte das Wall Street Journal einen Appell der schwangeren Ehefrau Pearls an dessen Entführer. Die Französin bittet darin, ihren Mann freizulassen, oder wenigstens eine Nachricht zu schicken, dass es ihm gut gehe. „Wie Sie wissen, ist Danny ein unschuldiger Mann. Ein Journalist, der zu Ihnen als Gast kam, um über Ihre Ansichten objektiv zu berichten und Ihre Meinung vor der Weltöffentlichkeit darzustellen“, schreibt Mariane Pearl, selbst Journalistin.

Eben diese Aussage bezweifeln die Entführer. In einem E-Mail von Januar behaupten sie, Pearl sei ein Spion der Vereinigten Staaten und ein Feind des Islam. Das Wall Street Journal wies diese Anschuldigungen entschieden zurück, Pearl sei ein Reporter der Zeitung – nicht mehr und nicht weniger. Pearls Frau betonte in ihrem Appell vom Donnerstag: „Er hat niemandem je Schaden zugefügt. Im Gegenteil, er hat immer Mitgefühl für das Leiden anderer gehabt. Danny und ich sind beide friedliebende Menschen.“

Daniel Pearl arbeitete aber in einem von Unruhen erschütteltem Land. Er recherchierte heikle Themen in den letzten Wochen vor seinem Verschwinden in Karatschi. Pearl wollte ein Interview mit dem muslimischen Geistlichen Mubarak Ali Schach Gilani führen, der eine kleine militante islamische Gruppe namens Tanseem ul-Furqa leitet. Der 38-Jährige fuhr allein, da seine Frau die Reise im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft nicht riskieren wollte. Sonst arbeitet das Ehepaar Pearl oft gemeinsam an größeren Artikeln.

Der Südasien-Bürochef, der in New Jersey geboren ist und an der Stanford-Universität Kommunikationswissenschaften studierte, arbeitet seit 12 Jahren für das Wall Street Journal. 1996 verließ er im Auftrag der Zeitung die USA und berichtete erst aus London und Paris. Im Dezember 2000 zog er mit seiner Frau nach Bombay, wo er das Regionalbüro für zwei Jahre übernahm.

Zwei Tage vor seiner Entführung erfuhren die Eheleute Pearl, dass Mariane einen Sohn erwartet. „Mein Mann und ich wollen eine Familie gründen, die helfen wird, die Welt durch Dialog und Verständnis zwischen den Zivilisationen besser zu machen“, sagte Mariane. Ein Bericht von gestern gibt ihr wieder Hoffnung. Der pakistanische Innenminister kündigte weitere Festnahmen im Fall Pearl an. Ein Durchbruch sei gelungen, hieß es offiziell. Der Minister sagte, er sei sicher, dass Pearl noch am Leben ist. GERGELY MÁRTON