Vom Fleisch zum Körper

■ Mit dem Kongress „Körper und Kapital“ beschließt Kampnagel die Reihe „Zeig mir dein Fleisch“ Von Doro Wiese

Seit einem Monat hat sich der Kampnagel dem Thema „Fleisch“ verschrieben – und damit die Ausdrucksmöglichkeiten des menschlichen Körpers erkundet. Dass der Leib unter der Haut weitergeht, ist in Kampnagels Imperativ – „Zeig mir dein Fleisch!“ – mitbegründet. Die glatte Oberfläche der Haut verbirgt es; will sie dem Kampnagel-Befehl nachkommen, muss sie sich zu einem Schauspiel des Inneren transformieren.

„Fleisch ist ein Stück Lebenskraft“, das aus sich heraustritt. Aber was geht in den Körper hinein, was wird „eingefleischt an gesellschaftlichen Mächten“? Diesem Themenkomplex widmet sich die Abschlussveranstaltung eines für dieses Wochenende geplanten Kampnagel-Kongresses unter dem Titel „Körper und Kapital“. Das anvisierte Themenspektrum – Arbeit, Schönheit, Produkt – zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Mehrwert und Körper schwer zu bestimmen ist.

Das Zeitalter, in dem Körper als etwas begriffen wurden, das zwischen Arbeitskraft und Reproduktionshort eingespannt war, ist längst vorbei. Neue Technologien und soziale Transformationen ergreifen den Körper beständig und sorgen für seinen veränderten Stellenwert. Körper werden nicht mehr dem Kapital zur Verfügung gestellt, sondern sind selbst Kapital. Untrennbar sind gesellschaftliche Anforderungen und private Körpertechnologien miteinander verbunden.

So zeigt beispielsweise Robert Schmidt, dass eine saubere Trennung zwischen Freizeit und Arbeitszeit unmöglich ist. Sport und Popkultur sind beispielsweise nicht mehr dem persönlichen Abendvergnügen anheim gestellt. Das Freizeit-Know-how fließt in die berufliche Beschäftigung mit ein, prägt die „Employability“ des Einzelnen. Wer als WerberIn den Stil seiner ZeitgenossInnen nicht kennt, hat auf dem Arbeitsmarkt verloren.

Dass der Körper als Ware bewusst eingesetzt werden kann, verdeutlicht Stephanie Klee am Beispiel der Prostitution. Sie hinterfragt das Bild der Prostituierten, die ihren Körper entäußert, indem sie die Figur der gewieften Unternehmerin mit ins Spiel bringt. Wenn der Körper eine Ware ist, so schöpft die Hure selbstbestimmt seinen Mehrwert aus. Sie ist kein Opfer des Patriarchats, das Frauen zur Körperlichkeit verdammt.

Dass der veränderte Stellenwert des Körpers vor Geschlechtergrenzen nicht Halt macht, verdeutlicht Wilhelm Trapp in der Sektion „Schönheit“. Jahrhundertelang war das „schöne Geschlecht“ ausnahmslos weiblich. Männer als begehrenswertes Objekt wurden von Darstellungen ausgeschlossen. Als radikale Zeitenwende lässt sich nun die kommerzielle Eroberung des männlichen Körpers feststellen. Dieses Auftauchen schöner, begehrenswerter Männer wird jedoch von neuen Ausschlüssen begleitet. Der verfallende Körper hat in der neuen Schönheitsnorm keinen Platz.

Auch im Themenkomplex „Produkt“ wird auf die neuen Normierungsformen des Körpers hingewiesen. So geht dort beispielsweise Reinhard Nestelbacher von DNA-Consult den neuen Wissenschaftsmythen der Biotechnologien nach. Die Repräsentation ihrer Erkenntnisse – wie die barcodeartige Darstellung des menschlichen Erbguts in den Medien – verspricht die Entzifferung menschlichen Lebens. Seine Lesbarkeit verheißt gleichzeitig Möglichkeiten der Manipulation. Wenn Biotechnologien sich aber mit dem Kapital verschränken, wird Geld zur Kraft des „besseren“ Lebens. Die Gefahr einer neuen, „positiven“ Eugenik gewittert am Horizont. Daher bleibt zu fragen, ob der Optimierung des Körpers andere, lebenswerte Ziele entgegengestellt werden könnten.

Kampnagel hat als Rahmenprogramm die Kur gewählt und verbleibt so im Zirkel der Körpermehrwertsarbeit. Aber vielleicht erscheint in den Pausen eine weitere Möglichkeit: dass jemand sich selbst vergisst und nutzlos träumt.

Kongress Körper und Kapital, morgen ab 15 Uhr + 16.2. ab 11 Uhr, Kampnagel (k3)