Schweden startet ins Sabbatjahr

In zwölf Modellstädten dürfen die Schweden für ein Jahr aussteigen – und erhalten Stütze vom Staat. Die Regierung rechnet mit 1.200 Interessenten pro Jahr. Wirtschaft ist gegen das Projekt. Modellversuch in Dänemark wieder eingestellt

aus Stockholm REINHARD WOLFF

„Ich kaufe mir Zeit. Und für so etwas ist das Geld wirklich gut angelegt.“ Klas schickte einen der ersten Anträge los, als klar wurde, dass in Göteborg das Friår-Modell getestet wird. Seit diesem Monat können Arbeitnehmer dort und in elf weiteren Modellstädten Schwedens ein gesetzliches Sabbatjahr nehmen: ein Langzeiturlaub zwischen drei und zwölf Monate mit reserviertem Arbeitsplatz, Arbeitslosengeld – ohne diese Auszeit irgendwie begründen zu müssen.

Das Friår (Freijahr-Modell) geht auf eine Initiative der schwedischen Grünen zurück. Sie wollten den „Aussteigern“ mehr Lebensqualität bieten und Arbeitslosen neue Chancen, einen Fuß in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Der sozialdemokratischen Regierung gefiel die Idee: Sie verkauft die Initiative jetzt als ihre eigene Idee. Klas dürfte mit seinen 57 Jahren ein typischer Nutznießer sein. Auch, weil er es sich leisten kann: Mit 41 Jahren im Dienst beim Zoll steht er kurz vor der Rente. Er liegt mit rund 2.000 Euro brutto in einer mittleren Lohnklasse, hat sein Häuschen abbezahlt und einiges gespart. Statt seines Lohns bekommt er nun 85 Prozent des Arbeitslosengeldsatzes, der in Schweden bei 80 Prozent des letzten Einkommens liegt. Unter dem Strich werden statt netto 1.360 Euro dann 970 übrig bleiben.

Voraussetzung für die Genehmigung war, dass die Behörde einen Arbeitslosen fand, der Klas’ Dienst übernehmen kann. Was fast unmöglich gewesen wäre, hätten der exakt die Aufgaben eines erfahrenen Zollbeamten bewältigen müssen. Doch das Gesetz lässt zu, dass innerhalb von Firma oder Behörde umorganiert wird. Um das Sabbatjahr nutzen zu können, war auch Vorraussetzung, dass Klas mindestens zwei Jahre in seinem Job war. Auch Mütter nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs gelten als wichtige Interessentinnen. Die Testphase läuft nun bis Ende 2004. Die Regierung rechnet mit zunächst nicht mehr als 1.200 Aussteigern pro Jahr.

Ein ähnliches Modell mit einem 80-prozentigem Arbeitslosengeldsatz war 1994 in Dänemark gestartet worden und lockte dort gleich zwanzigmal mehr Aussteiger als geplant. Weil das dem Staat zu teuer wurde, senkte er die Erstattung zunächst auf 70, später auf 60 Prozent. Und machte das Sabbatjahr so unattraktiv, dass man den Versuch wieder einstellen konnte.

In Schweden stellt sich vor allem die Wirtschaft gegen das Sabbatjahr: Es würden falsche Signale gesetzt, heißt es. Mit einer Arbeitslosenrate von vier Prozent herrsche in Schweden faktisch Vollbeschäftigung, man brauche qualifizierte Arbeitskräfte, nicht aber „falsch qualifizierten“ Langzeitarbeitslose. Jörgen Lindell, Analytiker beim dem Forschungsinstitut der Wirtschaftsverbände Nutek, erklärt: „Die Ersatzpersonen, die angestellt werden, sind auch meist keine richtigen Arbeitslosen, sondern ohnehin Zeitarbeiter oder Teilzeitkräfte.“ Die würden angestellt, die Zeitverträge wegrationalisiert. „Unter dem Strich ist der Arbeitsmarkteffekt gleich null.“

Die Regierung hält dagegen, man habe die Versuchsort gezielt ausgewählt: Städte mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, Strukturproblemen und überdurchschnittlich hohen Krankenständen. Yvonne Ruwaida von den Grünen lässt die Kritik kalt: Schließlich gehe es vor allem um „mehr Lebensqualität“.