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Peter Hacks über die Romantik
: Warum die DDR untergegangen ist

Der neue Hacks erscheint im „Konkret Verlag“. Das macht Sinn. Sammeln sich doch die Feinde der Romantik unter der „Konkret“-Flagge. Von der „konkreten“ politischen Situation aus kritisierte der Staatsdenker Carl Schmitt schon 1919 die okkasionellen Romantiker, die heute dies, morgen das sagen. Und konkret wird es schnell in Hacks’ Streitschrift „Zur Romantik“.

Seine Ästhetik kann man kriminalistisch nennen. Hacks „konjekturiert“ erst und überführt dann die feinsten Federn der Romantik – Novalis, Schelling, Schlegel – als „mutmaßliche Bande von Opiophagen“. Damit fängt das Sündenregister der Romantik aber erst an. Zu einer „bekifften Bewußtseinslage“ gesellen sich sexuelle Polygamie und Geheimdiensttuerei. „Ein romantischer Autor ist ein Autor, der die englische Literatur gelesen hat, Opium verzehrt, sexuell von patriotischen Groupies betreut wird und Karl Justus Gruner zum Führungsoffizier hat.“ Romantische Junkies als Agenten des „secret service“ – für Hacks ist das zwar an sich noch kein Grund zur moralischen Erregung. Sogar Goethe, Hacks’ Held, habe eine „Beitrittsverpflichtung“ unterschrieben (als IM der Illuminaten). Krumm nimmt Hacks den Romantikern, dass sie gerade für England spionierten, den Hort der Reaktion.

Mit dem englischen „Herkommen“ der Romantik bekämpft Hacks die Westbindung deutschen Denkens. Das ist zwar unzeitgemäß, nicht aber besonders originell. Zu sehr klingt es nach den kulturkritischen Orgeltönen der Konservativen Revolution: England – eine Krämernation ohne Tiefgang, so abschätzig urteilten Werner Sombart oder Oswald Spengler. Hacks scheint der letzte in der einstmals langen Reihe preußischer Sozialisten zu sein. Wie die Untergangspropheten der 20er-Jahre ist auch er ein scharfer Zeitkritiker. Die Erledigung der Romantik als pathologischer Fall ist auf den ersten hundert Seiten schnell gemacht, da bleibt noch genug Platz. Romantik ist für Hacks die zeitübergreifende „Stimmung“ der „Frondeure“. „Das erste Auftauchen der Romantik in einem Land ist wie Salpeter in einem Haus, Läuse auf einem Kind oder der Mantel von Heiner Müller am Garderobenhaken eines Vorzimmers.“

Wer schon immer wissen wollte, warum die DDR unterging – hier wird er fündig. Der Untergang wurde hervorgetrieben durch „revisionistische Literaten“ (Hermlin, Fühmann), die ihrem Publikum in den Siebzigerjahren ich-süchtige Romantiker ans Herz legten. Romantik nennt Hacks die Gemütslage der Dissidenten, aber auch den Jugendwahn und die Reiselust – also all die mondänen Distinkionen, mit denen sich die urbanen Eliten der „Neuen Mitte“ ausweisen. Mit viel Aberwitz und gewaltiger Verschwörungslust zieht Hacks gegen alte und neue Romantiker zu Felde: ein ästhetischer Kreuzzug für den klassischen Geschmack.

Zuletzt ist es um Peter Hacks, den viel gerühmten DDR- Dramatiker und Nationalpreisträger 1. Klasse, stiller geworden. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus schien er transzendental obdachlos. Das „neue“ Deutschland las nur noch den Kinderbuchautor und beehrte – Gipfel ironischer Repression – Hacks mit „Sonderpreisen“ für Jugendliteratur. Und ist das so falsch? Hacks’ grell geschminktes Sittenbild der Romantik hat viel von einem Kinderbuch – manchmal taucht sogar ein weiser Stalin wie ein gutmütiges Nashorn zwischen den Zeilen auf. Dem romantischen Dauergespräch der modernen Zeit kann sich auch der erklärte Spaßverächter Hacks nicht entziehen. Man mag darin die ganze Perfidie der Jetztzeit entdecken. Oder eben einfach mittanzen – Hacks gäbe auf jeder romantischen Party einen vorzüglichen roten Ritter.

STEPHAN SCHLAK

Peter Hacks: „Zur Romantik“. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2001, 160 Seiten, 19,90 €