scharon gegen arafat
: Zurückdatierte Morddrohung

Man will gar nicht wissen, was der israelische Premierminister Ariel Scharon sonst noch an verpassten Gelegenheiten in seinem Leben bedauert. Seine jüngste Äußerung, man hätte Palästinenserführer Jassir Arafat schon während des Libanonfeldzugs 1982 töten sollen, ist schon schlimm genug. Sie macht deutlich: Für Ariel Scharon ist der Kern des „Palästinenserproblems“ dessen sichtbarster Ausdruck: Arafat.

Kommentarvon YASSIN MUSHARBASH

Der steht für alles, was Scharon nicht will. Dazu zählt ein palästinensisches Volk, das von der Weltöffentlichkeit auch als solches wahrgenommen wird. Scharon wäre es lieber, die Palästinenser entführten Flugzeuge wie früher und machten sich als Volk international verhasst. Ebenso wurmt Scharon, dass die Palästinenser in Arafat einen charismatischen Vertreter gefunden haben, der als ihr legitimer Repräsentant auf internationalem Parkett auftritt. Scharon zöge es vor, wenn die Palästinenser in sich gespalten wären und in ihren Gebieten einen Bürgerkrieg anzettelten, um sich zu neutralisieren und zu massakrieren. Scharon hat schlichtweg noch nicht seinen Frieden mit der Existenz eines palästinensischen Volkes gemacht.

Arafat wenigstens hat sich aus dem ideologischen Gefängnis der radikalen Einseitigkeit befreit. Der Palästinenserpräsident spricht offen davon, dass es den Palästinensern nur gut gehen kann, wenn auch die Israelis profitieren. Vom israelischen Außernminister Schimon Peres hört man gelegentlich Ähnliches. Nicht aber von Scharon.

Denn Ariel Scharon schmollt, und das seit 1982. Er bringt bestimmte Sätze einfach nicht über die Lippen, kann gewisse Gesten nicht machen. Auch wenn er im selben Interview, in dem er Arafats Überleben bedauert, die Möglichkeit eines palästinensischen Staates andeutet – er kann es nicht lassen, Arafat zu attackieren. Scharons Politik, seit er vor zwölf Monaten das Amt des Premierministers antrat, illustriert deutlich, dass ihm die Palästinenser entzweit lieber sind als vereint. Darum versucht er seit Jahrefrist das Symbol Arafat mit allen Mitteln zu delegitimieren. Und aus demselben Grund spricht er lieber mit Regionalgrößen der Palästinenser als mit Arafat, ihrem gewählten Repräsentanten.

Ein Handschlag zwischen Scharon und Arafat vor dem Weißen Haus? Unvorstellbar, solange Scharon zurückdatierte Morddrohungen ausstößt. Erschreckend, wie wenig er für einen Frieden der Mutigen bereitsteht.

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