Zurück aus der Verbannung

Jahrelang stand die Büste Bonhoeffers in einem Kirchentrakt in Zehlendorf. Nun weist sie in der Staatsbibliothek den Weg zu einer Doppelausstellung über den Widerstandskämpfer und den Wiener Bildhauer Hrdlicka. Der hat die Büste geschaffen

von SUSANNE AMANN

Hitler sitzt alleine an einem Esstisch, hat Messer und Gabel senkrecht in den Händen, außer ihm ist nur sein treuer Schäferhund im Raum. „Der russische Winter sorgte für eisige Stimmung im Führerhauptquartier“, lautet die kurze und lapidare Bildunterschrift, mit der der österreichische Künstler Alfred Hrdlicka seine Zeichnung betitelt.

Das Werk ist ein Blatt aus dem Grafik-Zyklus „Wie ein Totentanz. Die Ereignisse des 20. Juli 1944“, den die Staatsbibliothek zu Berlin noch bis zum zweiten März in ihrer Ausstellung über Dietrich Bonhoeffer und Alfred Hrdlicka zeigt. Die Staatsbibliothek will mit der Schau den Theologen und Widerstandskämpfer Bonhoeffer ehren und zugleich Bilder des Künstlers Hrdlickas zeigen. Von Hrdlicka stammt eine Marmorbüste Bonhoeffers, die der Bibliothek vom Konsortium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg am Montag als Dauerleihgabe übergeben worden ist.

Dietrich Bonhoeffer, einer der großen Theologen des 20. Jahrhunderts, wurde bald nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten zum Widerstandskämpfer. Schon 1933 hatte er dazu aufgerufen, „dem Regime in die Speichen zu fallen“, und öffentlich auf die sich abzeichnende Hetze gegen Juden hingewiesen. Als herausragender Vertreter der Bekennenden Kirche erklärte er kurze Zeit später das Christentum mit der NS-Rassenideologie als unvereinbar.

Bonhoeffer engagierte sich seit 1940 aktiv im Widerstand und fungierte als Mittler zwischen dem oppositionellen Kreisauer Kreis um Schenk v. Stauffenberg und Widerstandsgruppen im Ausland. Nach einer ersten Verhaftung im April 1943 wurde er schließlich nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet und kurz vor Kriegsende, am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.

Die Büste Bonhoeffers, die jetzt in der Eingangshalle der Staatsbibliothek zu sehen ist, hat der Wiener Grafiker und Bildhauer Hrdlicka schon 1977 geschaffen. Weil Bonhoeffer aber nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, wurde die Skulptur aufgrund künstlerischer, aber auch statischer Vorbehalte über Jahre in einen Seitenflügel der Kirchlichen Hochschule in Berlin-Zehlendorf verbannt. Für den Ausstellungszeitraum soll die Marmorbüste nicht nur Bonhoeffer ehren, sondern auch auf seinen schriftlichen Nachlass hinweisen, den die Staatsbibliothek seit 1996 verwahrt und jetzt zusammen mit Hrdlickas Werken zeigt. Darunter sind Briefe, Gedichte und andere Dokumente, die Bonhoeffer während seiner Haftzeit, aber auch schon vorher verfasst hat. Er beschreibt dabei unter anderem die Haftbedingungen und seine Suche nach dem eigenen Ich.

Der 73-jährige Künstler Hrdlicka hat sich seit Jahren in seinen Werken mit der menschlichen Figur auseinander gesetzt, thematisch wendet er sich immer wieder Krieg und Gewalt zu. In dem gezeigten Zyklus beschäftigt er sich mit den Ereignissen und tragenden Figuren rund um den militärischen Widerstand des 20. Juli. Seine Radierungen und Grafiken stellen zumeist militärische Szenen und Begebenheiten dar, die er in nebenstehenden Erläuterungen kommentiert. Dabei sind seine Anmerkungen zum Teil bewusst karikierend, was er damit begründet, dass sich die Monstrosität des Nationalsozialismus nicht zuletzt durch eine ungeheure Lächerlichkeit ausgezeichnet habe. „Die Lächerlichkeit der Diktatoren ist eine ihrer großen Geheimnisse“, schreibt Hrdlicka an einer Stelle. Seine Werke hatten in den letzten Jahren immer wieder für Widerspruch gesorgt.

Öffnungszeiten Mo.–Fr. 9–21 und Sa. 9–19 Uhr, der Eintritt ist frei