AFGHANISTAN UND KONGO: WAS SICH ÜBER DAS HELFEN LERNEN LÄSST
: Privatisierung einmal anders

Der Wiederaufbau zerfallener Staaten ist heute zentrales Thema der internationalen Politik. In Tokio beraten die reichen Länder der Welt über Hilfe für Afghanistan. Mit dem Vulkanausbruch im Osten des Kongo kommt nun ein weiteres dringendes Tätigkeitsfeld auf die Geber zu, das über Nothilfe hinausgeht. Und bei beiden Hilfsprojekten lässt sich schon jetzt für das jeweils andere lernen.

Die internationale Afghanistan-Hilfe funktioniert bisher so, dass Regierungen einer Regierung helfen wollen. Damit es überhaupt eine Regierung in Afghanistan gibt, wurde also zunächst in Kabul eine Übergangsregierung unter internationalem Schutz eingesetzt. Sie soll nun als Hilfsempfänger Aufbau betreiben. Nach diesem Modell laufen bislang auch die internationalen Bemühungen um die Demokratische Republik Kongo: Das Land brauche eine allseits anerkannte Regierung, die das Staatsgebiet vollständig kontrolliere und der internationalen Gemeinschaft als Partner im Wiederaufbau zur Verfügung steht.

Der Vulkanausbruch bei Goma hat dieses Konzept vorerst zunichte gemacht. Hilfe muss sofort geleistet werden, und zwar nicht nur in Form von Trinkwasser und Nahrung für Obdachlose, sondern als Wiederaufbau einer ganzen Stadt. Dies kann nur gelingen, wenn die spezielle Situation des Ostkongo berücksichtigt wird – er wird in weiten Teilen von Warlords und marodierenden Milizen beherrscht; es fehlen funktionsfähige staatliche Strukturen.

Das ist schon seit Jahren so, wurde aber von der Kongo-Diplomatie bisher ausgeklammert. Eine solche Ignoranz ist nicht mehr möglich. Wenn internationale Geber größere Summen in den Osten Kongos stecken wollen, müssen sie politische Mitverantwortung übernehmen. Niemand wird ihnen die Mühe abnehmen, Partner vor Ort zu identifizieren und mit ihnen Konzepte zu entwickeln. Das bedeutet, sich in die kongolesische Politik einzubringen und Entscheidungen zu fällen, die von der lokalen Bevölkerung mitgetragen werden.

Eine solche Situation kann über kurz oder lang auch auf die internationalen Kräfte in Afghanistan zukommen, falls sich das Kabinett in Kabul gegenüber regionalen Warlords als zu schwach erweist. Die Geber Afghanistans setzen derzeit alles auf eine Karte – die Übergangsregierung in Kabul – und arbeiten zu wenig mit den Machthabern in anderen Landesteilen zusammen. Hier könnte die Erfahrung weiterhelfen, die Kongos Geber jetzt in Goma machen werden: Ein großes, zerrissenes Land kann nur dezentral erschlossen werden. Man muss mit den Menschen arbeiten, die man vorfindet. Es gibt keine anderen.

Umgekehrt hat aber auch die Diskussion, wie Afghanistan am besten zu helfen sei, Ideen produziert, die auf andere Länder wie den Kongo übertragbar sind. Dazu gehört der „Trust Fund“, ein internationaler Wiederaufbaufonds, über den Geber und Empfänger gemeinsam entscheiden. Für den Kongo wäre das attraktiv. Dort würde ein „Trust Fund“ nicht nur Rivalitäten zwischen den Gebern und ihren divergierenden politischen Interessen in Zentralafrika neutralisieren. Sondern entsprechend der Logik des Kongo-Krieges, bei dem die Mineralien des Landes eine treibende Rolle spielten, könnte ein „Trust Fund“ auch mehr sein als nur ein Sammelbecken für Entwicklungshilfe. Einzahlen könnten auch die Privatfirmen, die an der Ausbeutung des Kongo beteiligt sind.

Bereits jetzt übt die UNO zunehmenden Druck auf die Konzerne und Handelsfirmen aus, die mit dem Ankauf und der Verarbeitung des „Handy-Rohstoffs“ Coltan aus Goma viel Geld verdient haben – allen voran die deutsche Bayer-Tochter H. C. Starck. Wenn diese Unternehmen nicht wollen, dass ihre Geschäfte unterbunden werden, dann sollten sie im Rahmen internationaler Wiederaufbaubemühungen ihre Kongo-Profite vor Ort reinvestieren und damit dem ökonomischen Gewicht gerecht werden, das sie im Kongo längst haben.

Im Erfolgsfall könnte ein solches „Public Private Partnership“ beispielhaft sein. Die Milliarden, die für Afghanistan jetzt in Aussicht gestellt werden, sind verschwindend gering angesichts der immensen Bedürfnisse. Kein kriegszerstörtes Land kann nur von staatlichen Behörden wiederaufgebaut werden – vor allem nicht in Zeiten, in denen die staatliche Entwicklungshilfe weltweit schrumpft, während die Globalisierung der Konzerne immer weiter voranschreitet. DOMINIC JOHNSON