Hommage an mutige und engagierte Frauen

Kosova-Albanerinnen wurden meist nur als Opfer des Krieges beschrieben. Elisabeth Kaestlis Porträts zeigen sie als Gestalterinnen des Aufbaus

Es ist still geworden um Kosova. Andere Konflikte haben die Region aus den Schlagzeilen verdrängt. Als die Nato im Frühjahr 1999 nach fruchtlosen Verhandlungen mit den Konfliktparteien beschloss, Serbien zu bombardieren, rückte Kosova für einige Monate in den Mittelpunkt der öffentlichen Anteilnahme: Wir erfuhren viel vom Schicksal der Flüchtlinge, von denen einige auch nach Deutschland kamen. Nach Ende der Luftangriffe wurden die KFOR-Truppen stationiert und die Unmik-Verwaltung installiert, viele Vertriebene kehrten zurück, und das öffentliche Interesse flaute ab.

In der Kriegsberichterstattung spielten Kosova-Albanerinnen, wenn überhaupt, vorwiegend als Opfer eine Rolle, wie die Schweizer Journalistin Elisabeth Kaestli beobachtete. Sie berichtete während des Krieges über die Lage der Vertriebenen in Mazedonien. Bereits 1998 hatte sie Kosova bereist und war von den vielen „mutigen, engagierten Frauen“ fasziniert, die ihr Schicksal in die Hand nahmen. Sie gründeten Selbsthilfeprojekte für Witwen, Spielgruppen für Kinder, Beratungsstellen und vieles mehr. Da diese „Frauenarbeit“ nicht in „gedeckten Dächern oder gepflügten Aren“ messbar sei, machte sie keine Schlagzeilen. Nun, nach dem Krieg, verleiht Kaestli diesen Frauen eine Stimme: 15 Kosova-Albanerinnen erzählen in ihrem Buch weitaus mehr als ihre Kriegserfahrungen.

Zu Wort kommen Frauen zwischen 20 und 53 Jahren, darunter Studentinnen, Hausfrauen, eine Kunststickerin, eine Polizistin, eine der wenigen UÇK-Kämpferinnen, die jetzt für die Schutztruppe TMK arbeitet. Einige von ihnen haben das Land während oder schon vor dem Krieg verlassen, die meisten sind zurückgekehrt, eine ist in New York geblieben. Berichtet wird auch vom Leben in der zwischen Serben und Kosova-Albanern aufgeteilten Stadt Mitrovica und über die immer noch problematischen Bedingungen. Viele sind arbeitslos, arbeiten ehrenamtlich oder für geringe Bezahlung. So verdient eine Lehrerin 300 Mark, während die Kunststickerin es auf 600 Mark im Monat bringt, sofern es Strom gibt und sie von früh bis nachts an der Nähmaschine sitzen kann.

Zwischen den Porträts findet sich allerlei Wissenswertes über die Unmik-Verwaltung, die aktuelle Rechtslage, die inzwischen aufgelöste Befreiungsarmee UÇK, die Schutztruppe TMK oder auch frauenpolitische Aktivitäten. In den Buchdeckeln befinden sich Karten, die bei der Orientierung helfen. Die Ortsnamen im Text sind alle in der albanischen Version aufgeschrieben, im Anhang finden wir die Übersetzung in die hier geläufigeren serbischen Namen. Und zu jedem Porträt gibt es ein Foto.

Die 15 Porträts fördern Erstaunliches zu Tage, das sich nicht mit so manchem der gängige Vorurteile deckt. Auch in Kosova wird eine unverheiratete, kinderlose Frau respektiert, so wie die gelernte Kinderärztin Vjosa. Die 44-Jährige arbeitet seit ihrer Rückkehr aus dem mazedonischen Exil als „Berufspolitikerin“ für die Übergangsverwaltung. Als einzige parteilose und eine von drei Frauen unter 20 Departementschefs. Sie spricht aus, was vermutlich viele denken: „Ich fürchte, die internationale Gemeinschaft will nicht dasselbe wie wir. Sie wollen uns wieder mit den Serben zusammenführen. Aber nach allem, was in Kosova geschah, können wir uns nicht mehr vorstellen, innerhalb von Serbien zu leben.“

Vor zwei Jahren hätte dieses Buch auf der Buchmesse so viel Furore gemacht wie zuletzt die Werke über den Terroristenführer Bin Laden und die Taliban. Jetzt werden sich nur noch wenige LeserInnen dafür interessieren. Schade. CHRISTINE APEL

Elisabeth Kaestli: „Frauen in Kosova. Lebensgeschichten aus Krieg und Wiederaufbau“. Mit Fotografien von Alexander Kornhuber, Limmat Verlag, Zürich 2001, 190 Seiten, 18 €