Krieg in Afghanistan ist umweltschädlich

Bewässerungssysteme sind kaputt, Flüchtlinge holzen die Wälder ab. Wegen Minen und Bombensplittern ist Landbau unmöglich. Entwicklungshelfer hoffen dennoch auf einen Wiederaufbau unter nachhaltiger Nutzung der Umwelt

BERLIN taz ■ „Krieg und anhaltende Trockenheit haben Afghanistan ökologisch degeneriert“, sagt Andreas Herrmann, Hydrologe an der TU Braunschweig. Aufforstung der Wälder im Osten, Neubewirtschaftung versteppter Landstriche, nachhaltige Wasserversorgung: Diese Projekte würden – so weit überhaupt noch möglich – Jahrzehnte in Anspruch nehmen und Milliarden kosten. Und Geograph Christoph Jentsch fügt hinzu: „Afghanistan ist zurückgefallen auf den Status eines Vierte-Welt-Landes.“ Beide haben das Land besucht und sind Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Afghanistan, einem losen Zusammenschluss von Wissenschaftlern.

Ende der 60er-Jahre hatte sich Afghanistan zum Schwellenland entwickelt – trotz schwieriger Bedingungen. Denn steile Gebirge, Steppen und Halbwüsten schränkten Landwirtschaft und Viehzucht ein. Doch in den Flussoasen bewässerte ein ausgeklügeltes System die Felder. „Dort gab es Klima-Messnetze und Pegel-Messnetze“, sagt Herrmann. Afghanistan überwachte sein empfindliches Ökosystem und ernährte sich selbst. Sogar ein Nationalpark war geplant.

Dann folgten zwanzig Jahre Krieg. Mehr als vier Millionen Menschen verließen ihr Land. „Was früher gepflegt wurde, ist heute aufgegeben“, sagt Herrmann. Es sei schwierig, brach liegende Flächen wieder in Betrieb zu nehmen. Denn großteils sei die oft nur dünne Humusschicht erodiert. Außerdem würden Rüstungsaltlasten noch intakte Böden schädigen. „Überall steht altes Kriegsgerät herum. Das rostet, Öl läuft aus und Munitionsbehälter werden undicht.“

Im fruchtbaren Osten ist laut dem afghanischen Geologen Daud Saba der Wald fast verschwunden. Große Teile seien unter den Taliban illegal abgeholzt und nach Pakistan verkauft worden. Saba hat Geologie an der Universität von Kabul unterrichtet und lebt heute als Publizist in Toronto. Laut anderen Quellen fällen Flüchtlinge derzeit die letzten Bäume. „Die legen hunderte Kilometer zurück“, berichtet Lübbo Roewer vom Roten Kreuz. „Wo sie noch Bäume finden, holzen sie sie ab für Brennholz und Unterkünfte.“ Ende November hat er das Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan besucht, wo Flüchtlinge in Zeltstädten hausen.

An erster Stelle beim Wiederaufbau des Landes stehen allerdings Infrastruktur, Gesundheits- und Bildungswesen. Die neue Regierung hat Wasserkundler Herrmann gebeten, bei der Neuerrichtung der Wasserversorgung zu helfen. In wenigen Wochen geht sein Flug nach Kabul. „Manchmal frage ich mich, warum ich mir das antue“, sagt Herrmann. Doch man hätte in Afghanistan die Chance, beim Wiederaufbau Fehler zu vermeiden, die in anderen Ländern begangen wurden. „Das Land fängt bei null an, und man kann beim Neuanfang auf nachhaltige Nutzung der Umwelt achten.“

STEFAN WEILGUNY