Proteste in Moldova

Tausende demonstrieren gegen Pläne der Regierung, die russische Sprache als Pflichtfach an Schulen einzuführen

BERLIN taz ■ In Chisinau, der Hauptstadt Moldovas, herrscht Aufruhr. Mit Parolen wie „Nieder mit den Bolschewiken und dem Kommunismus“ zogen gestern erneut mehrere tausend Demonstranten durch das Zentrum. Grund für den Unmut ist eine Ankündigung des Bildungsministers Ilie Vancea vom Dezember, mit Beginn des neuen Jahres Russisch als Pflichtfach ab der zweiten Klasse in allen Grundschulen einzuführen.

Ein ähnliches Projet hatte Vancea im August 2001 avisiert, aber aus Furcht vor Protesten von Eltern und Lehrern vorerst von der Tagesordnung abgesetzt. Zuvor hatte das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das der russischen Sprache einen speziellen Status und den russischsprachigen Moldauern das Recht auf eine schulische Ausbildung in ihrer Muttersprache einräumt.

Initiator der jüngsten Proteste ist die oppositionelle Christlich-Demokratische Volkspartei (PPCD) unter ihrem Vorsitzenden Iurie Rosca. Maßgeblich an der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1991 beteiligt, driftete die Partei in den folgenden Jahren stetig weiter in die nationalistische Ecke ab und propagiert heute immer noch ganz unverhohlen eine Vereinigung mit dem Nachbarland Rumänien.

Dass diese Perspektive in Moldova für die Mehrheit der 4,5 Millionen Bewohner, von denen 65 Prozent Moldauisch (Rumänisch), der Rest Russisch als seine Muttersprache angibt, unattraktiv ist, zeigten die letzten Wahlen: Von 101 Sitzen gewann die PPCD elf. Demgegenüber fuhren die Kommunisten unter Präsident Wladimir Woronin mit dem Versprechen einer Besserstellung der russischsprachigen Bevölkerung und der Aussicht auf einen Beitritt zur russisch-weißrussischen Union die absolute Mehrheit ein.

Doch Rosca ist fest entschlossen, der drohenden „Russifizierung“ Widerstand entgegenzusetzen. Die Proteste, für ihn Ausdruck einer Welle der nationalen Wiedergeburt, würden weitergehen, bis die Regierung ihr Projekt fallen lasse, sagte er.

Schützenhilfe erhält Rosca aus Rumänien. Die rechtsgerichtete Bürgerallianz rief dazu auf, „die Versuche der Rumänen jenseits des Flusses Prut, ihre nationale Identität zu bewahren, zu unterstützen. Der nationalistische Bürgermeister der Stadt Cluj, Gheorghe Funar, kündigte Solidaritätskundgebungen mit den Demonstranten in Chisinau an. Der Bildungminister verlängerte die Winterferien um eine Woche. Das habe mit den Protesten nichts zu tun. BARBARA OERTEL