Das Leben im Liegen, aber sofort

Der Erfolg der Band lässt vermuten, dass immer mehr junge Frauen davon träumen, die Mühlen des Alltags als total pflichtvergessene Hausfrau zu verlassen: No Doubt produzierten mit ihrem entspannten neuen Album „Rock Steady“ ein Manifest gegen die Arbeit, ein einziges Lob der Faulheit

von SUSANNE MESSMER

Es schaukelt lässig vor sich hin. Der Rhythmus macht müde Schleifen, als müsse er heute nun wirklich nirgends mehr hin, der Song. Langsam stellen sich Bilder ein wie aus der Bacardi-Werbung: Es ist heiß, von den Palmen fallen Kokosnüsse und schöne Menschen. Sie landen sanft im feinen Sand. Gwen Stefani, die platinblonde Sängerin von No Doubt aus Kalifornien, singt irgendwas übers Kiffen. Über einen Geliebten, der nicht so toll ist, aber okay, denn wenigstens lässt er einen ruhig schlafen. Sie singt schmelzend, dass es nur so ins Ohr tropft. Man will auf einmal träge sein. Ein Leben im Liegen, aber sofort.

No Doubt haben mit ihrem neuen Album „Rock Steady“ ihre bis jetzt wärmste Platte gemacht, eine Platte, auf der verlangsamter Ska nach oben geschwemmt wird wie noch nie. Anders als bei ihrem Vorgänger „Return Of Saturn“ läuft hier nichts auf Anstrengung hinaus, im Gegenteil: „Rock Steady“ ist an der Küste Jamaikas entstanden, mit Rum-Cola für alle, täglich und schon zum Frühstück. Dieses Album ist ein einziges Lob der Faulheit, ein fast schon programmatisches Manifest gegen die Arbeit, die nun mal einfach anliegt, will man ein richtiger Popstar sein.

No Doubt, das sind eigentlich Gwen Stefani und Band, und Gwen Stefani will unbedingt ein Popstar sein. Daran arbeitet sie hart, an ihrer ganz unwahrscheinlichen Erscheinung, Raggae hin oder her. „Magic’s in the make-up“, singt sie selbst, „I’m a chameleon, camouflage my nature.“ Seit dem Bestehen ihrer Band, seit fünfzehn Jahren also, schürzt sie tapfer ihre rubinroten Lippen, fährt ihre knifflig lackierten Nägel aus, zeigt ihren nackten, trainierten Bauch. Ihr koketter Augenaufschlag, jede ihrer sauber einstudierten Gesten bedient eine andere Klaviatur der Manipulation, macht mal auf Hilflosigkeit, mal auf Trotz, dann wieder auf elegante Lady. Yip, yip, yippie: In ihren Videos sind oft Sprechblasen im Spiel und machen diese ganze Sängerin so unwirklich wie eine künstliche Kreuzung aus adrettem Pin-up, Betty Boop und Minnie Mouse, aus Barbie und Tank Girl.

Eine dünnere und jüngere Madonna also? Der einen begegnet man ebenso wenig in echt wie der anderen, das schon, aber trotzdem macht Gwen Stefani auch noch was anderes. Während Madonna die Disziplinierte gibt, hat Gwen Stefani immer noch einen Rest Sehnsucht nach dem Ausstieg aus der Arbeitswelt. Und sei es ganz altmodisch als Ehefrau und Mutter.

Gwen Stefani ist nicht nur die Art Mädchen, die immer mit Jungs rumhängt, der gute Kumpel, der aber trotzdem so sexy ist, dass ihn jeder will, sie ist auch die typische jüngere Schwester, die immer auf den Ehrgeiz des älteren Bruders setzen konnte. Ihr Bruder Eric musste sie, die sich eher für Schminken und Klamotten interessierte, überreden zu singen, als er 1987 No Doubt ins Leben rief. Und erst als er die Band verließ, um für die Simpsons zu zeichnen, begann Gwen, die immer noch bei ihren Eltern lebte, eher gezwungenermaßen selbst Lieder zu schreiben. Es fühlt sich fast ironisch an, dass ausgerechnet einer der ersten Songs, den sie geschrieben hat, zum erfolgreichsten Hit der Band wurde: „Don’t Speak“, eine schmachtende Lebensbeichte, in der die schöne Blonde ihren Liebeskummer verwurstete; das Lied handelt von der Trennung vom Bassisten der Band, dem Herzensbrecher Tony Kanal. Dass auf ihrem aktuellen Album viel von ihrer neuen Liebe Gavin Rossdale, dem Sänger von Bush, die Rede ist, passt also gut ins Bild. Denn in ihrer perfekten Performance schwingt das einfache, das nette Mädchen next door mit – die Sonne im Haar und im Herzen, ebenso wie die Sehnsucht nach den Teenagerträumen, die auf dem Weg zum Ruhm irgendwie abhanden gekommen sind: „And all I wanted was a simple man, so I could be the wife.“

Trotz anderer, sarkastischer Songzeilen wie „Don’t let me out of sight, I’m just a girl, all pretty and petite“ werden No Doubt wohl auch deshalb häufig von Feministinnen ausgeschimpft und vom Popdiskurs verschmäht. Auch, wenn man sie schon allein deshalb gern einer schicken Theorie zuordnen würde, weil Gwen Stefani eine so sympathische Figur abgibt: No Doubt sind und bleiben eine Art Garbage für Frohnaturen, ohne Anspielungen oder gar doppelte Böden. Ihre Musik ist Strandpartypop zum Mitsingen – mit einfachen Songstrukturen, klassischer Rockgitarre und Keyboards aus den Achtzigern. Bei diesem Mangel an Komplexität hilft es einfach auch nicht, dass No Doubt auf ihrem neuen Album Raggae-Legenden und Dancehall-Stars haben mitarbeiten lassen, auch namhafte wie Dave Stewart von den Eurythmics, William Orbit, der sonst Madonna produziert, und nicht zuletzt Prince, der sogar mitsingt bei einem Lied.

Dabei machen sie besonders auf diesem scheinbar schlichten Album, das so prima das Format füllt, mit dem man in die Musikkanäle und Charts kommt, trotzdem schöne Musik, lauter Hits, die ganz stark kleben bleiben – No Doubt bilden auch etwas ab, was einfach dran ist: die Rückkehr der Hausfrau unter anderen Vorzeichen, der Hausfrau ohne Hausfrauenaufgaben, die in die Suppe ascht und nicht im Traum ans Putzen denkt wie Peggy Bundy von der schrecklich netten Familie. Geht man nach dem Erfolg der Band, dann träumen immer mehr Frauen zwischen zwanzig und dreißig, egal ob sie in Durchschnittsberufen oder auf dem Karrierekurs schwimmen, auch aus Mangel an besseren Ideen davon, die Mühlen des Alltags auf diesem Weg zu verlassen. Wie sie dies anders tun könnten, darauf hat die Frauenbewegung mit ihrer Mystifikation der Arbeit kaum Ideen entwickelt. Dann schon eher No Doubt. Gwen Stefani singt: „I’m going to sleep all through the day. I’m going to sleep my life away.“