die stimme der korrektur
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Meist ging in letzter Zeit die Rede, dass „der Euro“ komme, starte und so weiter. Da kam, wenn man als Korrektor diese Texte bis zum Ende lesen musste, öfters der Gedanke, was da mitschwingt, wenn „er“ so einzigartig im Singular genannt wird – und was damit vermieden wird. Fachlich betrachtet, wurde auf jeden Fall die Frage umgangen, wie man sich geziemend ausdrückt: zwei Euros oder zwei Euro? Eindeutig sind die Vergleiche nicht, die in Wörterbüchern stehen. Von tausend Rubeln darf man schreiben, von hundert Peseten oder von fünfzig Talern. Nicht so bei der Mark, die hat keinen Plural. Sie war ursprünglich eine Gewichtseinheit, und mit zwanzig Pfunden oder sechzig Grammen würde man sich schließlich auch nicht wohl fühlen.

Was spricht dagegen, „hundert Euros“ wie „hundert Pesos“ zu sagen? Der gefestigte Sprachgebrauch ja wohl nicht. Darf die EU-Bürokratie in Brüssel das regeln, wenn Konservative sogar schon einen bayerischen Kultusminister attackieren, weil er die Rechtschreibreform durchgesetzt und sich angemaßt hat, ins Deutsche einzugreifen? Gelten EU-Regeln überhaupt für die Schweiz, wo der Euro nicht „eingeführt“, sondern nur importiert wird?

Oder hat der Duden jetzt doch wieder das letzte Wort – wo doch die Zeiten vorbei sein sollten, in denen „eine Aktiengesellschaft“ das höchste normhütende Organ ist, wie es der dtv-Atlas zur deutschen Sprache anprangert? In der taz-Korrekturabteilung spricht man nicht solche bösen Worte über die Mannheimer Duden-Redaktion, und so sind wir in Einsicht in das Unvermeidliche ihr gefolgt: die Euros, 20 Euro. Der Stärkste setzt sich nun mal durch, tut er das nicht auch im Völkerrecht? Und an den USA – oder dem, was wir uns von ihnen ausmalen – können wir uns gleich wieder abarbeiten, ohne das Eurothema sofort verlassen zu müssen: Wie spricht man „Cent“ aus, mit oder ohne t-Laut am Anfang? Vor kurzem wurde die Diskussion endlich angestoßen und gelangte auch in die taz. „Cent oder Zent“, wird die Frage im Agenturmaterial formuliert, das ist so schön suggestiv, dass sicher noch schrille Töne folgen werden. Der Gedanke, ob denn normale Menschen überhaupt so sprechen, wie die Zeitungen schreiben und die Fernsehmenschen vorsprechen, wäre da eher Spielverderberei. Letzte Woche wurde angeblich der Groschen abgeschafft, dabei ist er das schon seit hundertdreißig Jahren. Vermutlich ergeht es ihm wie dem „ß“, von dem auch viele glauben, es sei abgeschafft. An der Behebung des letzteren Irrtums dürften Visitenkartenfirmen sogar ein wenig verdient haben. MATTHIAS FINK