Törchen gemacht

Auch bei der Wahl zum „Tor des Jahres“ schlägt der 80 Jahre alte Kurt Meyer die Bundesliga-Konkurrenz

BERLIN taz ■ „Haste dein Törchen gemacht?“ Wenn Kurt Meyer diese für einen Mann zweifellos existenzielle Frage seiner Ehefrau Anni verneinen muss, plagt er sich und seine Umwelt tagelang mit Übellaunigkeit; kann er sie aber bejahen, ist er ein glücklicher Mensch. Vor ziemlich genau einem Jahr muss Kurt Meyer, 80 Jahre alt und fast ebenso lange Fußballer, ein sehr glücklicher Mensch gewesen sein, obwohl der Anlass, mit dem die ganze Geschichte begann, eher ein trauriger war: Eine Woche vor seinem 80. Geburtstag sollte es Meyers letztes offizielles Match sein, in der Altliga Recklinghausen ging es für ihn und seinen Post SV Blau-Weiß gegen den FC Hillerheide. Deshalb gab es schon vor dem Spiel Geschenke für Meyer, unter anderem Herztropfen sowie ein Trikot von Martin Max, dem Profi von 1860 München, den Meyer einst trainiert hatte, und sogar das Fernsehen war gekommen, um all das zu filmen.

Der Moment aber, der Kurt Meyer nicht nur glücklich, sondern auch einigermaßen berühmt gemacht hat, trug sich in der 38. Minute zu und ist beinahe schon Legende: wie Meyer den Ball bekommt im Strafraum, wie er ihn elegant stoppt, ihn trickreich durch die eigenen Beine kullern lässt, wie er sich geschickt dreht auf seifigem Untergrund – und wie er die Kugel aus 16 Metern mit dem rechten Spann millimetergenau in den Winkel setzt, um später darüber zu sagen: „Den hätte auch der Olli Kahn nicht gehalten.“

Nun weiß man das bei Kahn natürlich nie so genau; definitiv fest steht mittlerweile aber, dass der 80-Jährige an diesem Tag im Januar das „Tor des Jahres“ schoss. Bei der traditionellen ARD-Wahl jedenfalls lagen Meyer und sein Treffer mit 20,9 Prozent der Stimmen deutlich vor Roy Präger vom HSV (16,8 %) und noch deutlicher vor Nationalspielern wie Michael Ballack oder Gerald Asamoha. „Ich habe erst gebetet, dass es klappt, und dann vor Freude geweint. Mit 80 Jahren so etwas zu erleben, ist doch toll“, freut sich Kurt Meyer über seine Wahl. Was seine Ehefrau Anni dazu gesagt hat, ist allerdings nicht bekannt. KET