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Adlon und Tacheles im Architektur-Jahrbuch 2001
: New Urbanism wie in der „Truman Show“

Doch, es wird weiterhin gebaut in Berlin. Nicht alle Investoren sind bei ihren spekulativen Bauvorhaben Pleite gegangen. Manchmal ist das richtig schade. August Jagdfeld ist so ein Fall, bei dem man bedauert, dass er nicht Berliner Bankgesellschaft heißt. Denn August Jagdfeld hat sowohl das biedere Adlon wie das pompöse Quartier 206 von Pei/Cobb/Freed zu verantworten, wahrlich keine Glanzlichter des Architekturgeschehens in Berlin. Und jetzt hat August Jagdfeld das Tacheles in der Mache. Mit dem Um- und Neubau hat der Investor das Architektenbüro DPZ von Andres Duany und Elizabeth Plater-Zyberk aus Miami beauftragt.

In den Vereinigten Staaten gelten die beiden als die führenden Köpfe des „New Urbanism“. Jeder der Peter Weirs „Truman Show“ gesehen hat, weiss wie „New Urbanism“ aussieht: so wie das von DPZ entworfene Seaside in Florida, das Weir als Kulisse für seinen Film diente.

Trotz Hans Stimmanns unterkomplexem Leitbilddiktat der sogenannten kritischen Rekonstruktion für die Berliner Stadtplanung: in dem inzwischen wohl bekannten Architainment des neuen Berlin ist DZP noch mal ein ganz anderer Knaller, und man darf schon fragen, warum die arme Stadt jetzt auch noch den amerikanischen „New Urbanism“ hinnehmen muss? Da ist es tatsächlich ein Verdienst des von der Architektenkammer Berlin herausgegebenen aktuellen Jahrbuchs 2001 „Architektur in Berlin“, dass der Architektursoziologe Frank Roost die Planung von DZP hier noch einmal einer kritischen Darstellung unterzieht.

Zwar wird, und das könnte die gute Nachricht sein, die Tacheles-Ruine renoviert und dem Künstlerverein überlassen, der sie bis 2008 mietfrei nutzen darf, doch gleichzeitig ist genau das die schlechte Nachricht. Denn das „Johannisviertel“, wie der Kunstname für die von der Fundus-Gruppe erstellte Anlage um das Tacheles lautet, zielt nicht auf die Berliner, es zielt auf die Touristen. Und dafür braucht es noch ein paar Jahre das Künstlervölkchen, das die Ruine weithin bekannt und zu einem Touristenziel erster Güte gemacht hat.

Selbstverständlich ist das „Johannisviertel“ ein Bau aus einem Guss mit durchgehender Tiefgarage für 850 Autos, genau wie Sicherheit und Haustechnik in einer Hand organisiert sind. Vielfalt soll die Collage von verschiedenen historisch anmutenden Gebäudetypen evozieren: man kennt dieses Muster als Gestaltungsmethode der Themenparkarchitektur.

Die vier Themenbereiche beim Tacheles teilen sich so auf: Zur Oranienburgerstraße soll, so Frank Roost, das Großstadtthema Skyline aufgegriffen und durch ein Gebäude symbolisiert werden, dessen Grundriss an das berühmte Flatiron-Building in Manhattan erinnert. Am südlichen Bauabschnitt soll nach dem Vorbild der Beresford-Appartments in New York gebaut werden, am Ostrand wird für ein Luxushotel neuerlich das Adlon-Konzept aufgelegt. Und schließlich soll zur Friedrichstraße das allzu schöne Berliner Hinterhofidyll à la Hackesche Höfe gepflegt werden. Auf Überraschungen braucht man also wirklich nicht hoffen.

Und das gilt wohl auch für das Schloss. Unter die besten Neubauten Berlins wird das Schloss im Jahrbuch 2012 wohl nicht gezählt werden. Deren Dokumentation, wie eine bewährte Mischung von Einzelkritiken neuer Gebäude, Landschaftsplanungen, Innenausbauten sowie grundsätzliche Artikel zum Baugeschehen in der Stadt, machen aus dem Jahrbuch ein nützliches Kompendium.

BRIGITTE WERNEBURG

Architektur in Berlin. Jahrbuch 2001. Junius Verlag Hamburg, 192 S., 197 Abb., 34,80 Euro