Angekündigtes Blutbad mitten im Knast

Häftlinge eines überbelegten Gefängnisses im brasilianischen Porto Velho massakrieren mindestens 27 Mitgefangene. Behörden hatten Warnungen vor Unruhen unter den Gefangenen in den Wind geschlagen

SÃO PAULO taz ■ Die katastrophalen Zustände in Brasiliens Gefängnissen haben neue Opfer gefordert: Mindestens 27 Häftlinge wurden am Mittwoch bei schweren Auseinandersetzungen in Porto Velho, der Hauptstadt des Amazonas-Bundesstaats Rondônia, getötet.

Am Mittwochabend hatten Polizeistellen und Moacyr Grecchi, der Erzbischof von Rondônia, sogar die Zahl von 45 Toten verbreitet. Die Revolte in der Haftanstalt Urso Branco begann am Mittwochmorgen. Nach Angaben der örtlichen Militärpolizei waren Häftlinge untereinander verfeindeter Gruppen mit Messern und Eisenstangen aufeinander losgegangen.

Bei einem gescheiterten Fluchtversuch am Vortag war es zu Schießereien zwischen Häftlingen und dem Wachpersonal gekommen. Die Militärpolizei konnte die Situation erst im Lauf des Nachmittags unter Kontrolle bringen, nachdem die Behörden den Gefangenen zugesichert hatten, 35 besonders gefürchtete Kriminelle in den Hochsicherheitstrakt zu verlegen.

Wie die meisten brasilianischen Gefängnisse ist Urso Branco chronisch überbelegt. Statt der vorgesehenen 360 sind dort rund 900 Menschen inhaftiert. Erst vor einem Monat hatte die „Kommission Justitia et Pax“ der Erzdiözese von Porto Velho einen Bericht über die Lage in der Haftanstalt vorgelegt. Nach mehrtägigen Unruhen im November 2000 habe man vorgesehen, die gefährlichsten Häftlinge in ein anderes Gefängnis zu verlegen, doch dazu sei es nicht gekommen. Im vergangenen Jahr gelang 53 Gefangenen die Flucht, und eine Mordserie verbreitete innerhalb der Gefängnismauern Angst und Schrecken.

Die Untätigkeit der Behörden in Rondônia erklärt geradezu exemplarisch, warum die Gefängnisrevolten in Brasilien trauriger Alltag sind. Amnesty international hatte vor kurzem festgestellt, das „System der Untersuchungshaft“ nähere sich „dem Kollaps“, weil die Anzahl der Häftlinge ständig steige. Die brasilianische Regierung müsse eine „grundlegende Reform des Strafvollzugs“ in Angriff nehmen.

GERHARD DILGER