Enke will zurück ins Schaufenster

Ein Deutscher hütet das Tor von Benfica Lissabon. Für die Nationalmannschaft reicht das allerdings kaum

BERLIN/LISSABON taz ■ Über die Weihnachtstage kam doch das Heimweh angeflogen bei Robert Enke. Im Fernsehen musste der 24-Jährige mit ansehen, „dass zu Hause Schnee lag“, während er bei warmen 22 Grad am Meer saß. „Da bekommt man doch heimatliche Gefühle“, gibt der Mann zu, der vor zwei Jahren von Mönchengladbach nach Portugal gezogen ist, um das Tor von Benfica Lissabon zu hüten. „Es war eine gute Zeit, ich kann zufrieden sein“, blickt Enke nun zurück. „Ich bin unumstrittener Stammtorhüter und habe gut gespielt.“ Was kann einer wie er mehr wollen?

Und dennoch klingt es nachdenklich, wenn Enke bilanziert – ein bisschen nach Abschied sogar. „Benfica hatte nicht den Erfolg, den ich mir erhofft habe“, sagt der 24-Jährige dann etwa. Und: „Ich wollte in der Champions League spielen, aber zuletzt waren wir nicht einmal mehr im Uefa-Cup.“ Was nach den Gesetzen der Branche zwangsläufig zur Folge hatte, dass auch er, der Torhüter, aus dem internationalen Rampenlicht verschwunden – und auch in seiner Heimat etwas in Vergessenheit geraten – ist. „Seit Jupp Heynckes bei Benfica nicht mehr Trainer ist, hat das Interesse aus Deutschland nachgelassen“, weiß Enke, der Wert auf die Feststellung legt, „dass ich nicht geil darauf bin, täglich in der Zeitung zu stehen. Aber so stehe ich kaum noch im Schaufenster – und kann auch keinerlei Ansprüche in Richtung Nationalelf oder gar auf eine WM-Teilnahme stellen.“

Das nervt Enke, der Ambitionen hat, keine Frage. Zumal er an seiner Situation ein bisschen auch selbst schuld ist. „Vielleicht habe ich vor dieser Saison einen Fehler gemacht“, gibt der 24-Jährige zu. Ein Angebot von Manchester United lag ihm da vor, allerdings wollten ihn die Engländer „nur“ als Nummer zwei verpflichten, also hinter dem Franzosen Fabien Barthez. „Das schreckte mich damals etwas ab“, sagt Enke, heute würde er wohl kaum mehr zögern: „Wenn ich sehe, dass Barthez in dieser Saison nicht gerade glücklich spielt . . .“, fügt er dann noch an, allerdings ohne den Satz zu beenden. Auf jeden Fall hätte er als Keeper von ManU ganz bestimmt eine Chance bekommen, im Sommer mit nach Japan und Südkorea fahren zu dürfen, eine ungleich größere zumindest, als er sie jetzt bei Benfica hat. Was soll’s? „Vorbei ist vorbei“, sagt Enke. Nun gelte es eben jetzt, die richtige Entscheidung zu treffen.

Wie die aussehen soll, weiß der Mann aus Mönchengladbach allerdings selbst noch nicht. Die Stadt Lissabon hat’s ihm und seiner Gattin Teresa angetan. „Das Leben hier ist schön“, sagt er, letztendlich aber wird die berufliche Perspektive im Vordergrund stehen – und die scheint bei Benfica nicht die allerbeste. Wenn Enke mit Lissabon nicht international spielen kann, dürfte sich hier zu Lande auch weiterhin kaum jemand für ihn interessieren, selbst DFB-Teamchef Rudi Völler hat ihn bisher noch nicht beobachtet, schließlich gibt es auch in Deutschland zumindest gute Torhüter noch zuhauf. „Meine WM-Chancen gehen gegen null“, sieht Enke den Stand der Dinge durchaus realistisch, doch auch nach der WM wird weiter Fußball gespielt werden. „Mein Ziel ist die Europameisterschaft 2004“, kündigt der 24-Jährige für diese Zeit an.

Bis dahin will er wieder „im Schaufenster“ stehen, und das heißt: Rückkehr in die Bundesliga oder Wechsel in eine attraktivere Liga. „Oder doch mit Benfica in die Champions League“, wie Enke hinzufügt. Derzeit rangiert er mit Benfica zwar auf Rang vier; dass Mannschaftskapitän Fernando Meira Benfica in Richtung VfB Stuttgart verlassen wird, dürfte das Team in der Rückrunde aber deutlich schwächen – und die Gedanken über einen Wechsel bei Enke ebenso deutlich verstärken. An Anfragen, auch aus der Bundesliga, mangelt es nicht. PETER PUTZING