Nervenzusammenbruch beim Bäcker

■ Der erste Bremer Tag mit dem Einheitszaster: Hamstertauschen und Schlangen bei den Banken, Chaos im Supermarkt, Ärger beim Brötchenkaufen – aber das große Euro-Debakel blieb aus

„Mark oder Eu?“ fragte die Verkäuferin bei Karstadt, „Ketchup oder Majo, D-Mark oder Euro?“, der Mann von der Frittenbude am Bahnhof. Der Einheitszaster ist angekommen – und alle mussten mitmachen. Der erste Tag der europäischen Währung verlief dabei nicht allzu europhorisch: Die meisten zahlten noch mit der D-Mark, das oft prophezeite Euro-Debakel blieb allerdings aus. Dennoch: Vor allem bei den kleinen Händlern hakte die Umstellung.

Für viele Bremer hieß das neue Geld erst mal: Bei Banken und Sparkassen Beine in den Bauch stehen und D-Mark loswerden. „Das ist ja fast wie bei der Währungsreform 1948“, wunderte sich Torsten Bierbrauer von der Bremer Bank über die Hamsteraktionen. Vor den sechs Kassen bildeten sich lange Euro-Schlangen. Bierbrauer: „Dabei können die Leute ihre Mark auch beim Shoppen loswerden.“ Rund 2.000 Kunden tauschten gestern allein bei der Filiale am Domshof Euro ein – fast dreimal so viel Kundschaft wie an „normalen“ D-Mark-Tagen. „Also, ich würde ja in zwei Wochen wiederkommen, um die Mark loszuwerden“, rät Bank-Mann Bierbrauer. Der Handel hat sich verpflichtet, die alte Wirtschaftswundermark noch bis 28. Februar anzunehmen. Die Landeszentralbank sowie einige Warenhäuser akzeptieren auch darüber hinaus noch Schlafmünzen.

Probleme gab's beim „Spar“ am Neustädter Buntentorsteinweg. „Wir haben unser Geld erst mit Verspätung von der Bank gekriegt“, ärgert sich Ladenchefin Christa Richert. Da rächte es sich, dass nicht alle Produkte doppelt ausgezeichnet waren – die funkelnagelneuen Kassen verlangen Euro-Preise.

„Eine Mark, wie viel ist denn das“, ruft der Kassierer hilflos. Richert tippt im Euro-Rechner und schreit entnervt „51 Cent!“. Gleich darauf hält ihr der Mann ein Wurstpäckchen unter die Nase: „12,50 Euro – kann das sein?“, fragt er und zeigt auf den Bon. „Das ist doch die Uhrzeit“, stöhnt Richert. Und resümiert: „Es ist ein heilloses Chaos.“

Aufregung auch beim Bäcker in der Marktstraße, wo noch viele mit Mark bezahlen wollten. Da musste oft der Währungsrechner her – das dauerte. „Eine Stammkundin hat einen Nervenzusammenbruch gekriegt“, berichtet Verkäuferin Anita Walther. Ihre Kollegin weigert sich inzwischen, die Euro-Kasse zu bedienen. „Die spinnt“, schimpft sie.

Ohne Mucken verlief die Umstellung bei Karstadt, wo König Kunde seine Einkäufe noch teils mit Mark, teils mit Euro zahlen kann. Schon im Oktober hatte ein Geldtransport über acht Tonnen Münzen in 650 Kilogramm schweren Kassetten von der Landeszentralbank ins Shopping-Paradies gebracht. „Die lagerten bei uns im Keller“, erzählt Geschäftsführer Christoph Kellenter. Eine Verwahrung in einem der Obergeschosse war den Karstädtlern zu riskant. Kellenter: „Da hätte das Geld nach unten krachen können – für dieses Gewicht ist die Statik nicht ausgelegt.“

Gestern mussten alle KassiererInnen eine Stunde früher anrücken, um Euros in die Kassen zu sortieren, am Morgen waren alle 140 Kassen doppelt besetzt. „Die Kassierer wissen jetzt, dass sie die Scheine erst mal reiben müssen: Beim Probezählen kamen bei drei Mal Zählen noch drei verschiedene Summen raus“, erzählt Kellenter. „Aber das haben wir jetzt im Griff.“

Auch Thilo Bunte vom Neustädter Bioladen „Oekotop“ ist ganz Euro-zuversichtlich. Am Silvestertag hatte er sich bei der Sparkasse ein 22 Kilo schweres „Geschäfts-Starter-Kit“ besorgt und „an einem sicheren Ort“ gebunkert. Gestern ließ Bunte das „Oekotop“ geschlossen – wegen Inventur. Da konnte er seine Bio-Spaghetti und Natur-Säfte nicht nur zählen – sondern auch alles neu auspreisen. Auf die D-Mark verzichtet Bunte dabei genauso wie auf das Auf- und Abrunden der Preise. Jetzt kostet ein Paket Kümmel halt 1 Euro 42. „Wir rechnen exakt eins zu eins um“, sagt Bunte. „Unsere Kunden sollen nicht denken, dass jetzt alles teurer wird.“

Armin Simon/Kai Schöneberg