Auf Brautschuhschau

Der Glückspfennig kann zum Glückscent werden – doch für den Brautschuhpfennig ist alles aus. Die Bundesbank jedoch beruhigt: Der Euro ist kein Argument für die Ehe

BERLIN taz ■ Ich diskutiere gerne – über andere Kulturen, die Legalisierung von Hasch oder den Sinn von Wellness-Bereichen. Es gibt jedoch Dinge, die will ich einfach nicht der Bewertung anderer überlassen – kleine konservative und kitschige Geheimnisse. Aber jetzt bin ich zum ersten Mal auf Hilfe angewiesen.

Es fängt in der Bank an. Ich stehe am Counter, beuge mich leicht rüber und murmle. „Also, ich habe ja diese Pfenningsammlung für Brautschuhe.“ Der Sachbearbeiter meines Vertrauens lächelt mich verständnislos an. Wir schweigen einen Moment. „Na ja, und jetzt gibt es ja den Euro“, helfe ich weiter. „Ach, verstehe“, sagt der Sparkassenmensch und zieht einen Schlafmünzensammelbeutel hervor. Aber er versteht gar nichts.

„Die Sammlung ist noch von meiner Großmutter“, sage ich, in einem verzweifelten Versuch, die Schuld der spießigen Münzanhäufung von mir zu weisen. „Und die ist 96 gestorben.“ Doch das Unverständnis meines Gegenübers lässt mir keine Wahl. Ich muss deutlich werden „Also, eigentlich wollte ich die Pfennige behalten, aber die sind ja für meine Brautschuhe, also müssen sie ihren Wert behalten und außerdem kann ich die mühsam gesammelten Pfennige doch nicht einfach mit dem anderen Betrag auf meinem Konto mischen.“ Dass da gar kein anderes Geld ist, tut hier nichts zur Sache.

„Kann ich die Pfennige nicht in Cent einwechseln?“ Immerhin waren die Münzen doch zuletzt zweieinhalbmal so teuer in der Herstellung wie der aufgeprägte Wert. Wäre ein Pfennig gegen einen Cent kein fairer Tausch? Unverrichteter Dinge verlasse ich die Bank.

Während der Glückspfenning noch einigermaßen Chancen hat, zum Glückscent aufgewertet zu werden, ist es für den Brautschuhpfenning endgültig aus. Das liegt daran, dass der Glückspfennig nur einzeln glänzt, der Brautschuhpfennig aber allein durch sein Auftreten in Sammlungen Sinn macht. Genauer gesagt: in zwei Blumenübertöpfen, einer blau geblümten Spardose, drei Sparelefanten im Regal meines alten Kinderzimmers, einer ausrangierten Bodenvase unterm Bett und einer Espresso-Dose, die mein Vater in seinem Schuhschrank aufbewahrt hat.

Das Ganze sind 36,3 Kilo – also irgendetwas um die 25.000 Münzen. Laut Bundesbank sind über 16 Milliarden Pfennigstücke in Umlauf – ob man da meine schon abgezogen hat? Und wieviel andere Wahnsinnige gibt es noch außer mir, die sich ganz ihrer Nostalgie hingeben? Mein Freund sagt, wir sollten einfach noch vor dem Jahreswechsel heiraten. Schon weil der Volksmund weiß: Die Brautschuhpfennig-Sammlerin ist besonders sparsam. Da hat er sich aber zweimal verrechnet. Oder zählt mein Liebster nur auf den Aberglauben, dass die mit gesammelten Pfennigen gekauften Schuhe verhindern, dass die Braut dem Bräutigam abhaut?

Ich wende mein verwirrtes Herz an höhere Stelle. Und bei der Beratungsstelle der Bundesbank wird mir geholfen. Ich kann die Münzen weiterhin einzahlen, nur muss ich dann mit meinem Säckli den weiteren Weg zur Landesbank antreten. Man beruhigt mich: „Der Euro ist kein Argument für die Ehe.“

JUDITH LUIG