Wonderboy gegen Exdiktator

Zwei Wochen nach den Wahlen in Madagaskar gibt es jetzt ein Ergebnis: Der langjährige Präsident Ratsiraka muss als Zweitplazierter in die Stichwahl

BRÜSSEL taz ■ Admiral Didier Ratsiraka hat ein Problem. Die Wähler Madagaskars wollen ihm nicht unbedingt ein fünftes Mandat als Staatschef geben. Nach den amtlichen Endergebnissen des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen vom 16. Dezember, die jetzt vorliegen, bekam der Amtsinhaber und langjährige Diktator lediglich 40,56 Prozent der Stimmen – gegenüber 46,56 Prozent für seinen wichtigsten Herausforderer, Marc Ravalomanana, Geschäftsmann und Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo.

So ist nun eine Stichwahl nötig. Der Admiral, der mit Ausnahme der Zeit von 1993–1996 den an Mineralien, Meerestieren und Vanille reichen und an volkswirtschaftlichen Erfolgszahlen bitterarmen Staat seit 1975 unter seiner Fuchtel hatte, könnte verlieren. Der 67-jährige Literat, ehemalige marxistische Hardliner und heute selbst ernannter Ökologe, steht nach seiner Zeit als nordkoreanisch unterstützter Militärdiktator 1975–1993 für eine ungeliebte Ära, die trotz der damals eingeführten Mehrparteiendemokratie nicht vergessen ist.

Sein Herausforderer Ravalomanana, der ungeachtet seiner 52 Jahre aussieht wie ein Vierzigjähriger, präsentiert sich demgegenüber als „Wonderboy“ des geschäftlichen Erfolges. Vor seiner Wahl zum Bürgermeister der Hauptstadt 1999 war Ravalomanana als Direktor des größten Agrarunternehmens von Madagaskar, Tiko, bekannt, das vor allem Trockenmilch produziert. Er gilt als Selfmademan und ist damit populär, trotz seiner Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Merina aus dem madegassischen Hochland, die während der französischen Kolonialzeit vor 1960 politisch favorisiert war und seit der Unabhängigkeit vom Rest des Landes entsprechend verachtet wird. Er gehört einer Adelskaste an und wird vom madegassischen Kirchenrat unterstützt.

In einem Land, das traditionell die Werte der Diskretion und Zurückhaltung pflegt und darin eher Asien als Afrika ähnelt, kam Ravolamananas amerikanisch geführter Wahlkampf überraschend gut an. Er stellte sich mit Frau und Kindern vor die Kameras, als hieße er Kennedy. Der Staatschef erkannte die Gefahr früh und reagierte, wie es ein Staatschef mit autoritärer Vergangenheit eben tut: Er entzog den Flugzeugen seines Gegners die Flugerlaubnis unter dem Vorwand, sie seien in Südafrika registriert. Als Nebeneffekt saßen große Teile der Insel ohne Trockenmilch da, zum Ärger sämtlicher Ärzte und zum Nachteil der vielen unterernährten Kinder Madagaskars. Das Finanzamt entdeckte Steuerschulden bei Tiko, und jemand zündete sogar den Firmensitz an.

Der Wonderboy machte dem Dinosaurer offensichtlich Angst – zu Recht, wie das Wahlergebnis zeigt. Die Opposition behauptet sogar, eigentlich habe Ravalomanana 55,63 Prozent und damit den Sieg im ersten Durchgang erzielt. Die Anhänger des Präsidenten hatten gleich nach der Wahl den Wind der Niederlage gespürt und klagten schon vor Abschluss der Auszählung über angebliche Fälschungen seitens der Opposition. Nun werfen beide Lager einander Fälschung vor, und das Verfassungsgericht muss entscheiden. Ein objektives Urteil ist schwer, da die Regierung keine internationalen Beobachter zum ersten Wahlgang zuließ. So wird die Entscheidung noch Wochen dauern. Erst danach wird ein Termin für die Stichwahl feststehen.

FRANÇOIS MISSER