2001 – Berlin im Wechseljahr

Stürmische Politikwechsel: Die CDU/SPD-Koalition zerbricht, Grüne regieren mit, rot-rote Hauptstadt

Wer zu Beginn 2001 der Berliner Politik ein Jahr stürmischer Wechsel prophezeit hätte, wäre mit Sicherheit ausgelacht worden. Die Große Koalition von CDU und SPD saß träge, aber fest im Sattel. Eberhard Diepgen (CDU) gehörte als Regierender Bürgermeister gewissermaßen zum Inventar des Roten Rathauses. Und Grüne und PDS polterten von den Oppositionsbänken in gewohnt kritischer Weise.

Die Stadt sah einem weiteren langweiligen Regierungsjahr entgegen: mit Reformstau, Haushaltsdefizit und dem Slogan alter Westberliner Provenienz: „Det schaukeln wir schon irgendwie.“ In der Rückschau auf das Jahr kam Klaus Wowereit (SPD), seit Sommer Regierender Bürgemeister, zu einer ähnlichen Einschätzung: „Silvester dachte ich. Das wird ein ruhiges Jahr ohne persönliche, berufliche und politische Höhepunkte. So total habe ich noch nie danebengelegen.“

Es hat sich nicht nur für Klaus Wowereit durch das Amt des Regierungschefs und sein öffentliches Bekenntnis „Ich bin schwul, und das ist gut so“ viel geändert. Das Land Berlin hat einen Politik- und Mentalitätswechsel durchgemacht, der die einstigen Machtbasen aus Filz und Vetternwirtschaft erschütterte. Klaus Landowsky, Fraktionschef und „Pate“ der Berliner CDU, brachte mit der Aubis-Banken- und CDU-Parteispenden-Affäre die festgefahrenen Koordinaten aus dem Gefüge.

In der Folge steigerte sich der ‚Lando‘-Skandal für die CDU zu einem Desaster. Im Mai trat Landowsky als Fraktionschef zurück. Am 16. Juni 2001 wurde Eberhard Diegen als Regierungschef gestürzt. Landowsky-Nachfolger Frank Steffel fand die CDU-Fraktion als einen von Flügelkämpfen zerrissenen Haufen vor. Der CDU-Spitzenkandidat scheiterte zudem kläglich bei den Landtagswahlen. Und Eberhard Diepgen? Er hat seinen Rückzug, mehr gedrängt als selbst gewollt, aus der Berliner Unionsspitze bekannt gegeben.

Die Krise der CDU nutzte die SPD zum Koalitionsausstieg im Juni 2001. Das Ende der „Babylonischen Gefangenschaft“ (Egon Bahr) und Lähmung als Sozius in einer ungeliebten Koalition gab der Partei einen Schub: Parteichef Strieder, immer umstrittener Kandidat für ein Spitzenamt, hob Klaus Wowereit auf den Schild. Mit dem grünen Partner in der Regierung wurden ein „Kassensturz“ sowie ein Sparhaushalt initiiert und Neuwahlen für den Herbst eingeleitet. Seither bestimmt die SPD nicht nur die Richtlinien der Berliner Politik, sondern auch deren – waghalsige – Zukunft.

Waghalsig deshalb, weil der neue Regierungspartner ab Januar 2002 PDS heißt. Die sagt zwar klar ja zum Sparhaushalt der ersten rot-roten Hauptstadtkoalition, aber deren Basis fordert ebenso klar eine Politik des sozialen Ausgleichs, des Endes der Spaltung der Stadt und der Reformen im Bildungsbereich und bei der Stadtentwicklung. Ob Gregor Gysi diesen Ausgleich als Senator managen kann, bleibt abzuwarten. Denn der große Rhetoriker der Partei ist selbst ein großes Fragezeichen. Abgetaucht in der Partei und im Bundestag, versucht er in Berlin sein Comeback. Gysi, der Wandelbare, der Talkrunden-Meister, der Geschmeidige bildet wohl das beste Symbol für das Berlin im Wechsel: Die PDS ist als Partei des Ostens in der Regierung angekommen, und ihr Spitzenkandidat marschiert voran.

Bleiben die Grünen – und auch die FDP, die wie aus dem Nichts in der Berliner Parteienlandschaft aufgetaucht ist und nach den gescheiterten Ampel-Koalitionsgesprächen dorthin wieder verschwinden wird. Der kurze Sommer der Anarchie ist mit den Grünen am Regierungstisch nicht eingetreten. Vielleicht auch deshalb bedauern viele, dass sie wieder zurück in ihre Rolle als Oppositionspartei wechseln und das Justiz- und Kulturressort in guter Erinnerung 2001 zurücklassen. Sei’s drum. Man hat gezeigt, dass man sich verändern kann – auch als Berliner Grüne.

Was bleibt? Ein Jahr des Wandels, das die eigentlichen Veränderungen erst 2002 mit sich bringt. Von „Zäsur“ spricht Strieder und meint das Ende der Berliner Erbhöfe im öffentlichen Dienst, der Schuldenaufnahme und der Subentionsmentalität. Es wird noch stürmischer. ROLA

Der Bankwechsel: Der Traum von der Großbank ist aus. Kleinkunden sind wieder lukrativ

Preisfrage: Was ist Retail? Eine neue Cocktailkreation, eine Märchenwiederholung oder eine britische Ochsenschwanzsuppe? Weder noch! Wie oft geht es ganz profan um Geld, viel Geld. Nachdem sie im vergangenen Jahr kurz vor der Pleite stand, will die Bankgesellschaft nun eine starke Retail-Bank werden. Im Klartext: Die rotten Banker vom Alex wollen sich auf das Massengeschäft mit Privat- und kleinen Firmenkunden konzentrieren. Oder anders ausgedrückt: Der Traum von der 1994 gegründeten Berliner Großbank, die mit Immobilien- und Aktienfonds spekuliert und international mitspielt, ist endgültig ausgeträumt. Zeiten des Wechsels.

Vor genau einem Jahr nahm das Drama seinen Lauf. In einem unscheinbaren Zeitungsartikel, irgendwo im Wirtschaftsteil der FAZ versteckt, hieß es, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen verlange von der Bank, mehr Geld als geplant wegen riskanter Kredite zurückzulegen. Externe und interne Sonderprüfungen ergaben dann nach und nach, dass die in der Bank schlummernden Risiken viel höher als angenommen waren; zudem platzte ein windiges Geschäft, mit dem Bankchef Wolfgang Rupf Milliardenrisiken an eine ominöse Firma auf den Cayman-Inseln übertragen wollte.

Ein Jahr später ist Rupf nicht mehr Chef, und die Banker sind bescheidener geworden. Nun soll es also eine „starke Regionalbank“ werden. An sich wäre das nicht schlimm, hätte Berlin nicht die Zeche dafür zahlen müssen: rund zwei Milliarden Euro direkt und eine Bürgschaft in unbegrenzter Höhe, mit der das Land die Immobilienrisiken des mehrheitlich landeseigenen Konzerns übernimmt. So wird er fit gemacht für den Verkauf, der einen Teil des Geldes zurückbringen soll. Am Ende wird es aber so sein: Die Allgemeinheit bleibt auf den Verlusten sitzen, und die Privatinvestoren machen das Geschäft – mit dem lukrativen Retail-Bereich der Region. ROT

Straßentrends: Mai ohne Revolution, Musikdemo ohne Musik. Die Jugend tröstet sich mit T-Shirts

Zeiten des politischen Wandels? Pah! Die Trends der Straße wechseln schneller als Koalitionen. Und nichts ist mehr so, wie es vorher war. Lange vor dem 11. September sollte sich dieser Satz bewahrheiten: auf den Straßen der Stadt, Ort beliebter Massenumzüge. Die tradionelle Kreuzberger 1.-Mai-Demo-Innensenator Eckart Werthebach (CDU) verbot sie kurzerhand. Keine Demo, keine Randale, so das Kalkül. Die Randale stieg trotzdem, umso heftiger. Werthebach rächte sich, ließ Dutzende Konterfeis mutmaßlicher Bierbüchsenwerfer plakatieren. Genützt hat es wenig, die Bankenkrise fegte auch den eisernen Besen hinweg.

Dafür musste die Love Parade ewig auf einen Termin warten, weil ein paar Tiergartenschützer eine Gegendemo angemeldet hatten. Die Techno-Fans tobten dennoch durch den Tiergarten – erstmals mutierten die ehemaligen Join-the-Love-Republic-Demonstranten zu stinknormalen Besuchern einer kommerziellen Veranstaltung. Die Gegenparade, die Fuck Parade, protestierte erstaunlich kreativ – nämlich erstmals ohne Ton. Eine Demo mit Musik ist keine Demo, so die Polizei. Von Demonstrationen war auch beim Gelöbnis wenig zu spüren. Sonst Anlass zu Massenprotesten, leisteten diesmal die Wehrpflichtigen ungestört ihren Eid.

Erst nach dem 11. September normalisierte sich die Demonstrationssituation wieder: Ein paar versprengte Kriegsgegner demonstrierten gegen den US-Imperialismus und den Krieg gegen das Talibanregime; Schüler protestierten gegen Kürzungen im Bildungsbereich, „Hurra, wir verblöden“ skandierend, und Neonazis marschierten durch die Friedrichstraße. Für Erfrischung sorgten Wasserwerfer, die vor der Synagoge Gegendemonstranten auf Distanz hielten.

Da traf es sich gut, dass der Kleiderwechsel in diesem Jahr besonders leicht fiel. Die Linken konnten nämlich die passende Garderobe in so revolutionären Läden wie H & M und New Yorker günstig erstehen: T-Shirts mit Aufdrucken von Ché Guevara, Hammer und Sichel und dem klassischen roten Stern quollen aus den Regalen. Praktisch, preiswert, sexy – und mit Message! Die Designer hatten die Repolitisierung der Gesellschaft bereits eingeleitet, als noch niemand davon sprach. Bis zum nächsten Trend. ROT

Sport: Röber wechselt die Bank, Union wechselt die Liga. Nur Pesic wird wieder Meister der Korbwerfer

Es ist gut, dass es raus ist. Hertha-Trainer Jürgen Röber muss gehen. Es war weiß Gott nicht leicht, ihm das beizubringen. Denn er und sein Manager Dieter Hoeneß galten stets als das ideale Paar. Einen Besseren findest du sowieso nicht, dachten viele. Aber die haben keine Ahnung wie das ist, wenn man sich irgendwann die Frage stellt, was man eigentlich mal geliebt hat an dem. Schon wie er dasitzt im immergleichen Trainingsanzug und in seinem Kaffee herumrührt, obwohl es schon lange nichts mehr zu rühren gibt. Blöd nur: Man weiß ja immer erst, was man hatte, wenn es nicht mehr da ist. Und jetzt, wo es raus ist, ist das Gefühl doch nicht so gut, wie man es erwartet hatte. Keine Befreiung. Eher so eine Art Phantomschmerz. Obwohl er ja noch gar nicht weg ist. Und ein Neuer noch gar nicht in Sicht.

Neu war immerhin der Zweitligafußball. Da kickt Union Berlin, da müssen die Köpenicker durch. Da hilft es auch nichts, wenn man ein Pokalfinale erreicht und im Uefa-Cup spielen darf: die zweite Klasse durfte auch Union Berlin nicht überspringen. Jetzt sitzt man dort im Mittelfeld und schaut nach oben Richtung Champions League, wie einst Tennis Borussia. Doch die sind pleite und spielen inzwischen in der Oberliga.

Alles beim Alten blieb nur im Basketball: keine Wachablösung, kein Aufbrechen einer Vormachtstellung oder wie man es auch immer nennen mag. Nur die fortschreitende Pesicisierung des Basketballs. Ökonomisch betrachtet macht das Sinn. Die Regel lautet: Wenn Du wie Dauermeister Alba Berlin den Markt so sehr nach Belieben beherrscht, dass sich sogar der gierigste Konsument übersättigt abzuwenden droht, dann schaffe ein, zwei, viele neue Produkte. Albas Meistercoach Svetislav Pesic trainiert nun Köln. Der Clou daran ist: Wer sich für Körbewerfen als solches interessiert, ist mehr als dankbar dafür, dort wieder etwas zu finden, was im Sport ja nicht unwesentlich ist – die Ungewissheit darüber, wer am Ende besser ist. Sprich: Spannung durch die Suggestion von Wettbewerb. Und so ist es auch im Basketball: Ob Köln oder Berlin Meister wird, ist egal – im Kleingedruckten steht überall Pesic. Also hört auf zu heulen, Alba-Fans. Berlin wird sowieso Meister, egal unter welchem Label. So, wie 1997 auch Leverkusen zum achten Mal in Folge den Titel gewann. Nur damals eben in Berliner Trikots. ARÜ/HST

Islam: Eine Religion wird erklärt und die Berliner strömen in die offenen Moscheen

Sind Muslime gewalttätig? Was ist der Koran? Gibt es im Islam eine Hölle? Und was verrät Bin Ladens Unterschrift? Das waren Fragen, die nach den Attentaten vom 11. September plötzlich geklärt werden mussten. Nicht lange blieben die Berliner ahnungslos. Die systematische Aufklärung erledigten prompt die Boulevardgazetten. Allen voran die Berliner Kleinbürgerpostille B. Z. Die fragte auf einem September-Titelblatt doch glatt: Ist der Islam eine aggressive Religion? „Dem Islam“ jedenfalls wäre es angesichts solch naiver Schamlosigkeit nicht zu verübeln gewesen, wenn er B. Z.-Cheftheologe Georg Gafron dafür etwas verhauen hätte. So viel Angst vor den Korangläubigen die Medien auch herbeischreiben wollten – die Berliner blieben besonnen. Und neugierig. Noch nie besuchten so viele von ihnen am Tag der offenen Tür die Moscheen der Stadt. Während im Herbst 2001 Religionskunde im hauptstädtischen Blätterwald stattfand, lebte die Debatte um den wertevermittelnden Unterricht in der spirituell abstinenten Berliner Schullandschaft wieder einmal auf. Unter der sang- und klanglos untergegangenen Ampel-Formation im Senat hätte es ihn vielleicht gegeben – mit Rot-Rot stehen die Karten für den Reli-Unterricht aber schlecht. Gelegenheit für die Zeitungen mit den dicken Überschriften, endlich mal direkt zu werden: „Religionen im Test: Jesus ist besser!“ AW

Bauen: Pinien, Zypressen und die Dialektik im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit

Bäumlein, wechsel dich! Das ist wohl die Devise des Berliner Baugeschehens anno 2001, ganz nach dem alten Motto: Was unterscheidet eine Zypresse von einer Pinie? Klar: Das eine ist ein zugeklappter, das andere ein aufgeklappter Regenschirm. Genauso verhält es sich mit den abgerissenen Flügeln des Ahornblatts, die nun nach oben gefaltet auf dem neuen Tempodrom zu bestaunen sind. Oder ist es doch eher ein Schmetterling, der sich hier zum Fliegen bereit macht?

Fliegen war allerdings nicht gerade das Leitmotiv im wechselvollen Baugeschehen des vergangenen Jahres. Eher Landen. Zum Beispiel am Alexanderplatz. Dort wurden unter Rot-Rot die Türme gestutzt, bevor sie überhaupt in den Himmel wachsen konnten. Gleiches gilt fürs neue Legoland am Spittelmarkt. Wenn in Berlin einer fliegt, dann höchstens der Senatsbaudirektor. Oder sollte er Rot-Rot doch überstehen? Auch in diesem Jahr, so steht zu hoffen, wird das Wechseln nicht zu Ende sein.

Ansonsten freilich konnte erstmals seit der Wende die Bauerei mit der Politikerei nicht mithalten. Nicht mehr der Stein bestimmte heuer das Bewusstsein, sondern der Schein, besser gesagt: der Geldschein. Der flatterte gleich in Tausenderauflage in den Aktenkoffer von Landowsky, von dort nicht ordnungsgemäß aufs CDU-Konto, was wiederum dazu führte, dass die SPD den Schein nicht mehr wahren musste.

Berlin wäre nicht Berlin, wenn nicht auch das mit dem Baugeschehen zu tun hätte. Wer nun aber glaubt, ein Bausenator Gysi oder ein Senatsbaudirektor Flierl würden Charlottenburg und Schöneberg gleich zusammen abreißen und mit Platten vollstopfen – nach dem Motto: WBS 70 pflasterten ihren Weg! – sieht sich getäuscht. Der Kommunist liebt’s mittlerweile gediegen, weshalb er, siehe Gysi, mit dem einen Mundwinkel nach oben, mit dem andern aber nach unten zeigt. Das nennt man dann wohl die Dialektik im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit. Schlosskopie gleich inklusive.

Ach ja, das Tempodrom. Nicht nur der Osten ist nicht mehr, was er war, auch im Westen hat sich viel geändert. Oder sollte man sagen: Irene Mössinger. Aber da wären wir ja wieder beim politisch-bauindustriellen Komplex. Die einen Flügelchen stutzt man, die andern faltet man, während die Politik verstohlen ein paar Scheine zwischen die Ritzen steckt. In jedem Wechsel steckt eben auch ein Stück Beharrung. Es lebe deshalb Berlin auch im Jahre 2002. WERA

Jüdisches Leben: Generationswechsel in der Gemeinde. Volles Haus im Jüdischen Museum

Cool hat er es schon gemacht: Michael Blumenthal, der frühere US-Finanzminister, hat als Direktor des Jüdischen Museum die Erwartungen an dessen Erstausstellung mit allen Finessen amerikanischer PR-Profis hoch geschraubt. Nichts war vorher über die Schau zu erfahren, die die fast 2.000-jährige Geschichte der Juden auf deutschem Boden zu erzählen sich vornahm. Blumenthal tendierte nicht gerade zur Zurückhaltung, wenn er sagte, auf diese eigentliche Eröffnung dieses Zickzackbaus, der lange Zeit nur leer erlebt werden konnte, werde die Welt schauen. Das exklusive Galadinner am 9. September, in „Abendgarderobe“, vereinte die Prominenz des Staates vom Bundespräsidenten über den Kanzler mit elf Ministern bis zu Ehrengästen wie dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger – kaum jemals zuvor war die „Berliner Republik“ so komplett versammelt. Und was sahen die oberen Zehntausend? Eine Ausstellung, die in der Regel zwiespältige, nicht selten schlechte Kritiken erhielt. Oberflächlichkeit wurde bemängelt, Lücken und das Fehlen von Ruhe und klar erkennbarer Grundlinien. Im leeren Zustand begeisterte das Haus eine halbe Million Menschen, „bespielt“ blieb die Begeisterung meist lau.

Überraschendes bot auch die Jüdische Gemeinde. Als der Kulturmanager und geschäftsführende Direktor der „Topographie des Terrors“, Andreas Nachama, 1997 mit 45 Jahren neuer Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin wurde, galt er als Garant für einen Generationswechsel. Tatsächlich zog ein frischer Wind durch die Synagogen. Nachama gab dem trotz aller medialen Übertreibungen tatsächlich wieder erwachenden jüdischen Leben Berlins nach außen Stimme und Gewicht – vernachlässigte aber nach innen offensichtlich die Pflege all der Unterstützergruppen, die ihn in das schwierige Amt gehievt hatten. Bei den Vorstandswahlen Anfang Mai brachte Nachamas Dauerrivale Moishe Waks mit Hilfe des 77-jährigen Exdiplomaten Alexander Brenner unabhängige Gemeindeparlamentarier auf seine Seite: Brenner löste Nachama ab. Ein Generationswechsel der anderen Art. Seitdem ist es ruhiger geworden um die Gemeinde. Nachama ging zur „Topographie“ zurück, Brenner führt die Gemeinde so humorvoll wie zurückhaltend. Womöglich hilft ein solcher Führungsstil dieser exponierten religiösen Minderheit der Hauptstadt mehr Ruhe und vielleicht sich selbst zu finden. Bis zum nächsten Generationswechsel. GES