Keine digitale Radioweihnacht

Zur Funkausstellung im Sommer wurde wieder einmal der Durchbruch von Digital Audio Broadcasting (DAB) verkündet. Wer seinen Liebsten jetzt ein DAB-Radio unter den Tannenbaum legen will, hat aber ein Problem: Im Handel gibt es sie fast gar nicht

von JÜRGEN BISCHOFF

Da flattert inmitten des Weihnachtsgeschäfts der neueste Prospekt aus dem Hause „Media Markt“ auf den Schreibtisch des Berichterstatters und gibt Anlass zur neugierigen Frage: Wie steht’s denn nun mit dem Digitalradio, dem Digital Audio Broadcasting, kurz DAB?

Auf der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA) wieder einmal groß angekündigt, könnte man doch davon ausgehen, dass einer der bundesweiten Marktführer im Elektronikhandel nun endlich einige DAB-Geräte im Angebot hat. Insbesondere dann, wenn so manchem kurz vor Weihnachten das Geld vielleicht für die Technik der Zukunft etwas lockerer sitzt.

Doch was offeriert der Prospekt? Zum Beispiel eine Dolby-Surround-Stereo-Anlage von Sony für 2.999 Mark („Sie sparen 1.808 Mark“) – natürlich mit „RDS-Tuner“. RDS? Aber das ist doch analoges Radio mit ein bisschen digitaler Datenübertragung. Dabei stellt auch Sony DAB-Geräte für den Heimempfang her. Doch im Angebot keine Spur davon.

Dagegen sensationell: ein RDS-Autoradio mit MP-3-Player von Blaupunkt für 899 Mark. Typ „Los Angeles“. Doch wo bleibt der „Woodstock“? Den nämlich hatte Blaupunkt auf der Funkausstellung als neues DAB-Autoradio mit MP-3-Player präsentiert – quasi ein Durchbruch in der Unter-1.000 Mark-Kategorie.

Anruf bei Blaupunkt: „Wir haben immer gesagt, dass das Gerät erst im Frühjahr 2002 auf den Markt kommt. Außerdem ist das Weihnachtsgeschäft für Autoradios unerheblich“, sagt der Pressesprecher. Sollte der Berichterstatter da etwas übersehen haben? Ein Blick ins Archiv zeigt: Auf diversen Pressemitteilungen zum „Woodstock“ findet sich tatsächlich ein Termin, allerdings nicht im Haupttext. Nein, im Kleingedruckten ist von Frühjahr 2002 die Rede.

Doch auch die bereits existierenden Gerätetypen findet sich nicht im Prospekt und erst recht nicht im Laden. Längst verpufft ist die großartig angekündigte Marketingkampagne der „Initiative Marketing Digitalradio“ (IMDR): Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen verzeichnet der „Store Locator“ auf der IMDR-Website (www.digitalradio-info.de) ganze vier Händler. In Berlin sind es immerhin – zwei. Von den großen Ketten ist gerade mal Quelle mit dabei.

Aktionen mit dem Handel wurden erst jetzt, in der Vorweihnachtswoche, besprochen – für Aktivitäten im kommenden Frühjahr. Johannes Podszun von der PR-Agentur Leipziger und Partner gibt kleinlaut zu, dass das Timing nicht ganz gelungen sei. Auch Zahlen zum gesamten DAB-Geräteabsatz kann er nicht nennen – die Industrie hält sie zurück. In Großbritannien, wo DAB mit sehr viel mehr Verve Beworben wird und in Zukunft auch auf terrestrisches digitales Fernsehen gesetzt wird, sind zwei Jahre nach Programmstart auch erst 50.000 Geräte abgesetzt worden, vermeldete im September der Informationsdienst epd medien.

Dabei wird es höchste Zeit für Deutschland: Im Jahr 2003 will das Kabinett einen konkreten Abschaltzeitpunkt für das analoge UKW-Radiosignal festlegen – allerdings in Abhängigkeit vom Geräteabsatz. Das sieht zumindest ein offenbar weiterhin gültiger Beschluss aus der Zeit der Kohl-Regierung vor. Den Optimismus, den Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Eröffnung der IFA in Sachen Digitalradio noch an den Tag legte, wird er sich wohl langsam abschminken müssen.