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: ARNO FRANK über ein Herz für Kinder

Zu sexy für die Schule, jung genug für „Bild“

Dass die Bild ein „Ein Herz für Kinder“ hat, belegt nicht nur der entsprechende Aufkleber, der sich zu seiner Zeit auf Autos epidemisch verbreitet hat. Nein, „Ein Herz für Kinder“, 1978 von Axel Springer ins Leben gerufen, sorgt im Verein mit „Bild hilft e.V.“ für notleidende Knirpse, finanziert Transplantationen und Delfintherapien, Kinderkrankenhäuser im Kosovo und Internate in der Türkei. Bravo, brav, feine Sache.

Kürzlich aber nahm sich die Zeitung eines besonders dramatischen Falles an. Da nimmt der Vater einer Zwölfjährigen seine Tochter von der Schule, weil es mit den Lehrern Streit um ihre allzu legere Kleidung gegeben habe. Darauf ruft Vater „Robert (37)“ bei Bild an, denn „Bild hilft“. Redakteur Ulrich Hufnagel nahm die publizistische Luftpumpe und blies die dürftige Geschichte zur Serie auf: „Zu sexy für die Schule“, meldete er empört, „Tatiana (12) flog von Berliner Schule“. Dazu ein Foto von Tatiana (12) mit „sexy Outfit“, damit sich die Bild-Leser eine Meinung bilden können. Na, wie sexy ist denn das Kind?

Damit nicht genug, denn die kleine Tatiana (12) hat einen abgefahrenen Wunsch: Popstar will sie werden! Kann Bild helfen? Klar doch! Flugs hilft Herr Hufnagel (oder ihr Vater „Robert, 37“) dem Mädchen in noch geilere Outfits, um es in die Popstarschmiede von „Popstars“-Juror und Schmierlappen Detlev „Dee“ Soost zu verfrachten. Um die dünne Geschichte am Köcheln zu halten. Die entsprechenden Bilder sind nicht pornographisch, eher armselig. Und bestimmt von einem schmierig-voyeuristischen Blick auf junge Körper, wie er auch in der Volksmusikszene üblich ist – wo Minderjährige im Dirndl vor Rentnern paradieren. Und weiter geht’s mit „Tatiana (12), dem Mädchen, das zu sexy zur Schule kam und nun Popstar werden will. Jetzt gibt es neuen Wirbel. Denn Tatiana hat Probleme in ihrer neuen Schule . . .“

Ein echtes Probleme dagegen hat Daniela (13): „Schwanger mit 12, jetzt mit 13 Mutter. Kann das gut gehen?“ fragt besorgt die Bild-Redakteuse Bruntje Thielke. Daniela (12) plaudert nicht nur über ihren zu engen Muttermund („Meine kleine Leonie musste ja mit Kaiserschnitt geholt werden. Weil ich körperlich eigentlich noch gar nicht reif bin für ein Kind“), sondern wird auch gleich im Bild präsentiert. Im Stil der Vorher-Nachher-Fotos in der Brigitte. Kann das gut gehen? Kann es nicht: Unter dem Bild des damals noch zwölfjährigen Luders steht: „Daniela mal ganz anders. Geschminkt, ganz junge Frau“.

Da drängt sich nun wirklich die Frage auf, wessen Informations- oder auch Unterhaltungsbedürfnis hier eigentlich befriedigt werden soll. Die Story von Daniela (13) lief übrigens am selben Tag, als in Japan der „Zweite Weltkongress gegen die sexuelle und kommerzielle Ausbeutung von Kindern“ endete. Die Zeitung mit dem „Herz für Kinder“ präsentiert derweil kleine Mädchen einem Millionenpublikum als selbstbewusste Lustobjekte. Ganz vorsichtig, versteht sich, man will ihnen ja nicht weh tun.