Kultur, Berlusconi etc.
: Industrieboss wird Chef der Biennale von Venedig

Hässlich, schmutzig, böse

Eine „italienische Revolution“ hatte Berlusconi seinen Wählern versprochen, den Umbau des Landes in die „Azienda Italia“, die „Firma Italien“, in der endlich die Macher statt der Schwätzer das Sagen haben sollten. Mit managergleicher Energie hat sich jetzt Kulturminister Giuliano Urbani die Maxime seines Chefs zu Eigen gemacht, kurz entschlossen den bisherigen Direktor der Biennale von Venedig, Paolo Baratta, aufs Altenteil geschickt und stattdessen einen prominenten Wirtschaftsboss an die Spitze eines der wichtigsten Kulturereignisse Italiens gestellt: Franco Bernabè, der bei Fiat Karriere gemacht und es unter anderem zum Chef der staatlichen Petrochemieholding ENI brachte.

Ein Signal der Wende sei die Nominierung, jubelte Il Giornale, die rechte Tageszeitung in Besitz der Berlusconi-Familie. Endlich werde die Kultur als „Kulturprodukt“ gesehen, das – so viel gesteht man auch in Berlusconi-Zeiten zu – natürlich auf künstlerisches Talent, daneben aber auch auf „Managerqualitäten“ angewiesen sei. Dumm nur, dass der bisherige Chef Baratta, der jetzt fünf Monate vor der Zeit und mitten in der Vorbereitung der nächsten Biennale den Stuhl vor die Tür gesetzt bekommt, durchaus beachtliche Resultate vorzuweisen hatte: Die Kunstbiennale 2000 unter der Leitung Harald Szeemanns hatte täglich 2.000 Zuschauer angezogen.

Aber vielleicht geht es ja gar nicht um „Management“. Vielleicht geht es ja auch der italienischen Rechten ein wenig um Kultur; vielleicht soll das ganze Gerede um die „Macher“, die nach vorn müssten, endlich die allzu vielen „Miesmacher“ im Kulturbetrieb in die Schranken weisen. Im September jedenfalls glänzten die Kulturpolitiker des Berlusconi-Lagers auf dem Filmfestival von Venedig mit Breitseiten gegen deren künstlerischen Leiter Alberto Barbera und gegen die Veranstaltung, die eine „Schande“ für das Land geworden sei. Kultur-Staatssekretär Vittorio Sgarbi dekretierte, Venedig sei eine „tote Stadt“, die für ihre Festivals Staatsgeld kassiere, ohne „irgendeine Gegenleistung“ zu erbringen; die Biennale glänze mit „beunruhigender Dekadenz“. Der Schauspieler Luca Barbareschi – er steht der postfaschistischen Alleanza Nazionale nahe – legte nach, in Venedig komme doch nur das Kino der „Brutti, sporchi e cattivi“ zur Aufführung: der „Hässlichen, Schmutzigen und Bösen“. Und Fernsehsternchen Gabriella Carlucci – sie brachte es nach einer Show-Karriere auf den Berlusconi-Sendern im Mai zu einem Parlamentssitz und darf sich jetzt mit dem Titel „Kulturverantwortliche von Forza Italia“ schmücken – schimpfte auf die „Subventionitis“ im Filmgewerbe; stattdessen sollten gefälligst private Investoren den Vorrang haben.

Es stimmt wohl schon, was Venedigs Exbürgermeister Massimo Cacciari angesichts der rechten Rüpeleien im September erwiderte: dass die neuen Herren des Landes „ausgehungerte Wölfe“ seien, die „überall den Sturm auf jedweden Posten“ angesagt hätten. Eine Vision hat die Rechte aber durchaus – eine Vision aus den Fünfzigerjahren, als Giulio Andreotti dem neorealistischen Kino die Leviten mit dem Diktum las, schmutzige Wäsche werde gefälligst in der Familie gewaschen. Saubere Kunst, sauberes Kino ist auch jetzt wieder gefragt. Nicht umsonst ist als künstlerischer Berater des Biennale-Managers Franco Bernabè nun der Filmregisseur Franco Zeffirelli im Gespräch. Zeffirelli scheint für den Job perfekt geeignet. Nicht nur rückte er schon 1994 für Forza Italia ins Parlament ein, auch in seinem Filmschaffen hat der Experte für oft religiös durchwirkte Schinken sich mit seinen verkitschten Werken als Antipode des „hässlichen“ Sozial- und Subventions-Kinos profiliert.

MARINA COLLACI