Chiles Rechte holt bei Wahlen auf

Bei der Wahl vom Sonntag verlor die Mitte-links-Regierung erstmals die absolute Mehrheit der Stimmen, behält aber ihre Mehrheit im Parlament. Im Senat bleibt die Pattsituation bestehen – und damit auch Pinochets Verfassung

SAN SALVADOR taz ■ Zum ersten Mal seit dem Ende der Militärdiktatur in Chile im Jahr 1990 hat die seither regierende „Concertación“ aus Christdemokraten und Sozialisten die Mehrheit der Wähler nicht mehr hinter sich. Bei der Parlamentswahl am Sonntag erreichte die Koalition 47,9 Prozent der Stimmen. Eigentlicher Wahlsieger ist die rechte „Allianz für Chile“, in der die dem Exdiktator Augusto Pinochet nahe stehenden Parteien „Unabhängig Demokratische Union“ (UDI) und „Nationale Erneuerung“ (RN) zusammengeschlossen sind. Sie legte um sechs Prozentpunkte zu und erreicht 44,3 Prozent der Stimmen. Die Kommunistische Partei kam auf 5,2 Prozent.

Wegen des chilenischen Wahlsystems, das den beiden großen Blöcken Vorteile auf Kosten der kleinen Parteien verschafft, wird sich an den Mehrheitsverhältnissen im Parlament nichts Entscheidendes ändern. Die „Concertación“ behält ihre absolute Mehrheit. Allerdings wird diese deutlich knapper: Ihr Vorsprung von 20 Abgeordneten gegenüber der Rechtsallianz wird vermutlich auf fünf Parlamentarier zusammenschrumpfen. Stärkste Einzelpartei wurde die rechte UDI mit 25,6 Prozent. Zuvor hatten stets die Christdemokraten den größten Abgeordnetenblock gestellt. Am Sonntag kamen sie nur auf 19 Prozent. Die Kommunistische Partei bleibt außerparlamentarische Opposition.

Gleichzeitig mit dem Parlament wurde die Hälfte der wählbaren Senatoren ersetzt. Die „Concertación“ wird auch weiterhin über mehr Senatoren verfügen als die „Allianz für Chile“. Weil aber neun Senatoren nicht gewählt, sondern ernannt werden, und diese mehrheitlich mit den Rechtsparteien stimmen, bleibt es faktisch bei einer Pattsituation.

Letztlich bleibt also alles, wie es war. Die knappe Mehrheit im Parlament nützt dem sozialistischen Präsidenten Ricardo Lagos gar nichts. Denn die Spielregeln werden weiterhin von der Verfassung vorgeschrieben, die Pinochet 1980 erlassen hatte. Lagos will sie zwar ändern. Dafür aber braucht er eine Zweidrittelmehrheit, und von der ist er in beiden Kammern nun weiter entfernt als zuvor.

So diente die Wahl lediglich als Stimmungsbarometer. Und das zeigt an: Die Rechte in Chile holt kontinuierlich auf. Ihre Strategie, die blutige Vergangenheit einfach totzuschweigen, scheint aufzugehen. Den Wahlkampf hatte die Rechte ganz auf ihren Vorzeigemann Joaquín Lavín zugeschnitten. Dieser war bei der Präsidentschaftswahl von 1999 Ricardo Lagos knapp unterlegen und soll es im zweiten Anlauf 2006 schaffen. Den Sechs-Prozent-Zuwachs vom Sonntag wertete er so: „Die Allianz für Chile hat sich in eine Alternative für die Regierung verwandelt.“

TONI KEPPELER