Ver.di schon besetzt

Linke Szene will leeres Gewerkschaftshaus als soziales Zentrum besetzen. Doch der Staatsschutz kommt ihr zuvor

Hausbesetzungen hat es in Berlin lange nicht mehr gegeben – bis zum Samstag. Denn auch die linke Szene will sich im Regierungsbezirk Mitte niederlassen: Ein „soziales Zentrum für die Bewegung“ soll her. Nur einen Steinwurf von Kreuzberg entfernt, aber immerhin in Mitte, dort, wo sich seit dem Regierungsumzug Ministerien, Parteien und Lobbyistenverbände die Immobilien streitig machen. Da steht das Objekt der Begierde: Am Michaelkirchplatz 5 – mit Blick auf das zugefrorene Engelbecken.

An den Fenstern sind keine Gardinen zu sehen, keine Weihnachtsbeleuchtung, keine individuelle Note. Das vierstöckige Haus steht leer. Die Besitzerin, die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, hat derzeit offensichtlich keine Verwendung für ihre Immobilie. Der friedliche Schein allerdings trügt. Als Angehörige der linken Szene am Samstag anrücken, um an dem Gebäude ihre Forderung nach einem „sozialen Zentrum“ zu artikulieren, ist das Ver.di-Haus bereits besetzt: Der polizeiliche Staatsschutz war schneller. Dennoch wird an der Fassade ein Transparent entrollt: „Ver.di-Haus wird soziales Zentrum statt Yuppie-Quartier“. Vom Dach wird über Megafon durchgesagt: „Die Bullen waren vorbereitet, aber es ist ihnen nicht gelungen, die Aktion zu verhindern.“

Ein knappes Dutzend potenzieller Besetzer ist trotz Polizeipräsenz zwar nicht ins Haus, aber aufs Dach gelangt. Unten johlen und klatschen etwa 100 Anhänger. Nur eine Reihe behelmter Polizisten trennt sie vom Eingang des Gebäudes. „Ich bin Ver.di-Mitglied, also ist das auch mein Haus“, ruft einer von ihnen. Die Beamten zeigen sich davon unbeeindruckt. „Ver.di wird Anzeige wegen Hausfriedensbruchs stellen“, sagt der Einsatzleiter im Gespräch mit der taz.

Es gibt elf Festnahmen wegen Hausfriedensbruchs, auch drei Passanten werden in Gewahrsam genommen. „Sie standen da, wo vorhin die Leute waren, die jetzt da oben sind“, heißt es zur Begründung. Uniformierte drängen die vor dem Haus versammelte Menge von der Straße. Den Rest besorgt die eisige Kälte. Zwei Stunden nach Beginn der Aktion machen sich die meisten auf den Heimweg. Dabei skandieren sie: „Heute ist nicht alle Tage – wir kommen wieder, keine Frage“. DIRK HEMPEL