Boxender Präsidentschaftsanwärter

■ Dariusz Michalczewski faustfechtet morgen gegen den Jamaikaner Richard Hall

„Wenn ich Präsident in Polen werden will“, sagt Dariusz Michal-czewski, „dann muss ich doch Abitur haben.“ Der Box-Weltmeister fährt häufiger von Hamburg nach Polen, denn in anderthalb Jahren will er seine Hochschulreife haben, und danach Sport studieren. Als ein Journalist vorsichtig nachfragt, ob er das mit dem Präsidentenamt ernst meine, guckt Michalczewski zweifelnd: „War doch nur ein Flachs.“ Ob er mehr an seinen Deutschkenntnissen zweifelt oder mehr am Humor deutscher Sportjournalisten, sagt er nicht.

Erstmal aber muss er morgen (22 Uhr, Premiere) in Berlin antreten, um zum 20. Mal seinen WM-Titel des Weltverbandes WBO zu verteidigen. Sein Gegner Richard Hall aus Jamaika ist Nummer fünf der WBO-Weltrangliste, und ein gefürchteter K.o.-Schläger. 24 seiner 25 Siege in der bisherigen Karriere schaffte Hall durch Niederschlag. Im Michal-czewski-Lager um den Hamburger Boxpromotor Klaus-Peter Kohl hat man jedoch keine Angst vor Hall. Man denkt vor allem an Roy Jones Jr.. Der Amerikaner ist für viele der beste Boxer der Welt, und seit Jahren geht er Michalczewski aus dem Weg.

Ganz unrealistisch scheint ein Kampf zwischen Jones und Michal-czewski inzwischen nicht mehr zu sein. „Das wäre spannender als Tyson-Lewis“, meint Michalczweski zum Stellenwert eines solchen Kampfes. Sein Promoter Kohl erläutert: „Ich arbeite eng mit der HBO zusammen, dem amerikanischen Sportfernsehen. Und HBO hat mitbekommen, wer hier wem aus dem Wege geht. HBO hat Roy Jones ein Ultimatum gesetzt, dass er gegen Michalczewski boxen soll, sonst lassen sie ihn nicht mehr auf den Sender.“ Das sei zwar, wie Kohl einräumt, kein Ultimatum, „aber Jones kommt jetzt unter Druck“.

Trainer Sdunek sieht die Ambitionen des Promoters kurz vor einem WM-Kampf allerdings skeptisch: „Das gefällt mir gar nicht, dass nur noch von Jones die Rede ist.“ Der Universum-Trainer hofft aber, dass Michalczewski erfahren genug ist, den künstlich aufgebauten Druck zu deckeln. Entsprechend gibt sich sein Schützling. „Jeder WM-Kampf ist gleichwertig: egal ob der Gegner Hall heißt oder Jones.“

Dass die Abiturpläne des erfolgreichsten Boxers aus dem Univer-sum-Stall die Vorbereitung stören könnten, glaubt Sdunek nicht. „Im Gegenteil. Ich begrüße das.“ Sdunek betreut ja auch die Klitschko-Brüder, beides Doktoren der Sportwissenschaft. Bald wird er den vermutlich gebildetsten Profiboxstall der Welt haben. „Eine Doktorarbeit will ich nicht schreiben“, wehrt sich Michalczewski dagegen, dass man ihn für einen Klitschko-Nachahmer hält. „Das wäre wohl zu schwer.“ Seine Motive sind andere. „Ich gehe gerne zur Schule, das habe ich schon immer getan. Aber ich habe sehr früh mit dem Boxen angefangen. Jetzt hole ich die Schule nach.“ In Gdansk hat er Polsterer gelernt. Ende der Achtziger setzte er sich als Nationalstaffelboxer von Polen nach Deutschland ab, boxte eine Weile in der Bundesliga für Leverkusen und begann dann in Hamburg seine Profikarriere. Damit sein Training nicht unter der schulischen Ambitionen leidet, hat sich Michalczewski eine Fernschule in Polen ausgesucht. „Da fällt mir die Schule leichter als in Deutschland.“ Zwar ist Deutsch sein Schwerpunktfach, das Ziel bleibe aber ein Sportstudium. „Professoren in Polen haben mich gefragt, warum ich nicht bei ihnen anfange“, sagt er. „Ich sagte, dass ich kein Abitur habe. Da meinte einer: Dann mach es doch einfach. Und jetzt mache ich es eben.“ Seit Anfang der neunziger Jahre ist Michalczewski deutscher Staatsbürger. „Aber“, versucht er es wieder mit einem Witz, wissend, dass seine Zuhörer nur deutsche Sportjournalisten sind, „deutscher Präsident werde ich nicht, dafür ist mein Deutsch zu schlecht.“ Martin Krauß (Berlin)