Massenstreik gegen Hugo Chávez

Unternehmer und Gewerkschaften protestieren gegen eine Landreform und legen Venezuela lahm. Doch der Präsident verhöhnt sie nur und droht ein bisschen mit dem Militär. Zu seiner Unterstützung karrt er Landlose in die Hauptstadt

SAN SALVADOR taz ■ Am Ende des Tages konnten alle zufrieden sein: Die venezolanischen Unternehmerverbände und Gewerkschaften, weil der von ihnen gemeinsam ausgerufene Generalstreik zu 90 Prozent befolgt wurde. Und Präsident Hugo Chávez, weil ihm das wieder einmal Gelegenheit zu deftigen Reden bot. Die befürchteten Ausschreitungen blieben weit gehend aus. Lediglich in der Nähe des Sitzes des Unternehmerverbandes Fedecameras kam es zu einer Straßenschlacht zwischen Chávez-Anhängern und der Polizei. Ansonsten war Caracas am Montag ruhiger als an einem Sonntag.

Für Venezuela war der Generalstreik der erste Protest dieser Größenordnung seit 40 Jahren. Seither hatten die Unternehmer nicht mehr dazu aufgerufen, Läden und Fabriken zu schließen. Sie sind über ein Paket von 49 Wirtschaftsgesetzen erzürnt, das Chávez ohne Beratungen per Dekret am 13. November verkündet hatte. Besonders stört die Unternehmer eine darin enthaltene Landreform, die zwar keine klaren Regeln nennt, aber Enteignungen auch ohne Entschädigung vorsieht. Chávez will schlicht „Schluss machen mit dem Latifundienwesen“.

Die meisten Gewerkschaften schlossen sich dem Streikaufruf an. Sie befürchten, dass das Gesetzespaket Investoren abschrecken und die Wirtschaft destabilisieren könnte. In den vergangenen Tagen hatten sich politische Oppositionsgruppen an die Mobilisierung angehängt und sich schon im Vorfeld des eigentlichen Streiktags mehrere Straßenschlachten mit Chávez-Anhängern geliefert. Aus einem geplanten Protest gegen ein Wirtschaftspaket war so der erste große Protest gegen den selbstherrlichen Präsidenten geworden. Umfragen zeigten, dass die Beliebtheitswerte von Chávez von einst über 80 Prozent zum ersten Mal unter die 50-Prozent-Marke gefallen sind.

Doch Chávez ließ das kalt. Er feierte am Montagmorgen ungerührt den „Tag der Luftwaffe“ und ließ drohend Jagdbomber über Caracas donnern. In einer Rede vor Soldaten nannte er die Gegenvorschläge der Unternehmer „unmoralisch, egoistisch und irrational“ und kündigte an, er werde „niemals mit ihnen verhandeln“. Für den Nachmittag hatte er mehrere Tausend Landlose in die Hauptstadt transportieren lassen. Denen versprach er Grund und Boden und höhnte über seine Widersacher: „Sie müssen schon ziemlich viel Viagra schlucken, wenn sie irgendetwas aufrichten wollen.“

Zur Einschüchterung aller anderen hatte er schon in den Tagen zuvor die Armee auf die Straßen geschickt. Unternehmerverbände und Gewerkschaften hatten deshalb nicht zu Demonstrationen aufgerufen, sondern ihre Mitglieder aufgefordert, einfach zu Hause zu bleiben.

TONI KEPPELER