Trophäe im Kochtopf

Afrika unter den Kolonialmächten: Der Dokumentarfilm „Die Kopfjagd – Die Suche nach dem Schädel des Sultans Mkwawa“ (20.45 Uhr, Arte)

von JENNI ZYLKA

Ein Mann möchte etwas über seinen Uropa wissen. Gar nicht so einfach, wenn Opa ein legendärer Häuptling des Wahehe-Stammes in Ostafrika war: Der sagenumwobene Sultan Mkwawa, dessen Schädel in einer Odyssee von Afrika aus über Bremen und Großbritannien nach Berlin und schließlich zurück nach Tansania geriet.

Auf die Häuptlings-Kopfjagd hat sich Is-Haka Mkwawa begeben, der Urenkel des Wahehe-Fürsten, einfühlsam begleitet vom Berliner Filmemacher Martin Baer. Irgendwann am Anfang des Dokumentarkrimis steht Is-Haka, ein freundlicher, zurückhaltender Informatikstudent aus Tansania, an einer Berliner Straßenecke, an der sich „Müllerstraße“ und „Kongostraße“ kreuzen. Auf dem Weg in seine Vergangenheit, in die Vergangenheit seines Volkes, findet Is-Haka zum Beispiel in den Archiven Berliner Museen Dokumente, die einem Tränen in die Augen treiben: über die Massenschlachtungen an afrikanischen Völkern Ende des 19. Jahrhunderts, begangen unter anderem von deutschen Kolonialherren. „So wurden bis halb fünf 12 Dörfer verbrannt“, notiert der deutsche Soldat Karl Peters 1898 fröhlich in seinem Notizbuch. Bei der so genannten Pazifizierung in Ostafrika wurden bis 1891 tausende Stämme hinweggemeuchelt, bis es den Wahehe im Südwesten Tansanias unter der Führung von Häuptling Mkwawa gelang, die Deutschen zumindest ein paar Jahre lang aufzuhalten.

Der Häuptlingsenkel fragt in einer Szene des Films ein paar Kinder auf der Straße nach seinem Uropa. „Kennt ihr den Sultan Mkwawa?“ „Ja, er hat viele Deutsche getötet ...“, antworten die. 1898, nachdem Mkwawa zum „Reichsfeind“ erklärt und ein Kopfgeld von 8.000 DM auf ihn ausgesetzt wurde, erschoss sich der Stammesführer. Die Deutschen schnitten ihm den Kopf ab, brachten ihn „in einem Kochtopf“ zum Hauptmann und ließen ihn unter anderem von Dr. Rudolf Virchow in Berlin vermessen und während der nächsten Jahrzehnte immer wieder erforschen.

In einer Schule in Tansania hat ein Junge seine eigene Idee zur deutschen Wissenschaftsakribie: man wolle doch bestimmt am Gehirn forschen, weil der Häuptling so außergewöhnlich war, mutmaßt er. Genau wissen es nicht mal die Museums-Archivare, die Is-Haka Einblick in gruselige, mit Totenköpfen voll gestellte Kellerschränke gewähren: „Das war halt so“, windet man sich auf die vorsichtigen Fragen, „deutsche Kolonialherren nehmen Schädel mit.“

Martin Baers Film wühlt den stinkenden Bodensatz deutscher Kolonialpolitik ein weiteres Mal (nach „Befreien Sie Afrika!“) auf so unterhaltsame und anrührende Weise auf, dass man kopfschüttelnd davor sitzt. Glücklicherweise hat Is-Haka seine mit der Mini-Digi-Cam aufgenommenen Forschungen unter www.mkwawa.com online gestellt. Sonst könnte man es kaum glauben.