schnittplatz
: 20 Minuten späte Rache

Einmal, ja einmal hatten die Reporter des inzwischen eingestellten Gratisblattes 20 Minuten Köln eine echte Exklusivgeschichte in der Tasche, als sie an einem schönen Sommernachmittag aus dem Rathaus der Domstadt kamen.

Mit Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) hatten sie als erste über den tragischen Unfalltod seines Sohnes sprechen können. Kein schönes Thema allerdings und auch kein gutes Omen: Das Interview zierte die Abschiedsnummer des Umsonstblattes, am 11. Juli 2001 war Schluss mit 20 Minuten Köln. Am Tag danach konnte man das Interview trotzdem immer noch lesen – diesmal allerdings im kostenpflichtigen Kölner Boulevardblatt Express.

Von schlechtem Gewissen keine Spur: Kritik am Artikelklau wies Monopolverleger M. DuMont Schauberg wie immer souverän zurück. Doch nach einer offiziellen Presserats-Missbilligung (hier heißt Abschreiben dann „unlautere Recherche“) und dem Urteil des eigenen Justiziariats, „dass unser Haus die Veröffentlichung des Schramma-Interviews journalistisch (. . .) als missraten ansieht und die Veröffentlichung als solche bedauert“, war DuMont das Bedauern jetzt doch noch 10.000 Mark wert.

Das Geld wird der Opferhilfe „Weißer Ring“ gespendet, denn Opfer gibt es in Köln schließlich genug: Im Kampf um die Leser fährt der Express weiter hart am Wind. Für unsaubere Boulevardberichte gab es vom Presserat in den letzten Wochen gleich drei weitere Missbilligungen. Und das für einen Verlag, der sich rühmte, im Gegensatz zu den Gratiszeitungen „Qualitäts-Journalismus“ zu machen . . .

FRANK ÜBERALL