Festliche Marktwirtschaft

■ Kerzen, Erbsensuppe, Kunsthandwerk und immer wieder Glühwein: Es weihnachtet sehr in Hamburg. Die taz hat sich ein wenig umgesehen

Bereits am Hauptbahnhof weist ein gewaltiger Nikolaus, gut fünf Meter hoch und mit Schmalzgebäckstand im Bauch, mit hinterlistigem Lächeln in die Spitalerstraße. Dort ziehen sich in lockerer Reihe Stände mit Glasfigürchen, Bienenwachskerzen und Erbsensuppe bis hin zur Mönckebergstraße. Sehr stimmungsvoll ist das nicht, allerdings können Gestresste beim Hin- und Hershoppen zwischen Kaufhof und H&M noch das eine oder andere Schnäppchen erstehen – zum Beispiel geruchsfreie Knoblauchschneider in Form einer Pfeffermühle. ak

Vergleichsweise ruhig präsentiert sich der Gerhart-Hauptmann-Platz. Lichterketten ringeln sich um dürre Ahornbäumchen, und rote Schirme bieten einen regensicheren Unterstand zwischen Pizza- und Gyrosbude. Es gibt Weihnachts-schmuck aus Olivenholz, handgeschnitzte Pelikane von der Größe eines zwölfjährigen Kindes und Wollsocken. Der absolute Marktschreier sind jedoch batteriebetriebene, quietschegelbe Plüschhunde und rock'n'rollende Weihnachtsmänner. ak

Einheitshäuschen mit Plastikziegeln und künstlichem Tannengrün drängen sich um die St. Petri-Kirche. Hier lädt nicht viel zum Verweilen ein. Bemerkenswert sind die rostigen blauen Stehtische, die gleichzeitig als Müllbehälter fungieren: Reste von Fischbrötchen oder Pommes können direkt durch ein Loch in der Tischplatte in den darunter hängenden Müllsack entsorgt werden. ak

„Pfaffenglück“ und Pellkartoffeln: Hamburgs größter Weihnachtsmarkt vorm Rathaus lockt mit deftig-rustikalem Ambiente, und der im Holzofen gebackene klerikale Kräuerfladen mit Speck, Käse und saurer Sahne erfreut sich heuer besonderer Beliebtheit. Zwischen Glühwein- und Fast-Food-Ständen verarbeitet ein Schmied Metallstäbe zu Kerzenständern, werden Blechenten oder Holztröten feilgeboten. Weniger Weihnachts- als Oktoberfeststimmung herrscht im „Augustiner Bräu“, dem lachsfarbenem Fachwerkhäuschen am Ende des Marktes. Und auch im jugendstiligen Wiener Kaffehaus direkt daneben geht es bei klassischer Musik zwar wesentlich ruhiger, aber auch nicht wirklich weihnachtlich zu. ak

Klein und beschaulich kommt hingegen der Hanseatische Weihnachtsmarkt am Gänsemarkt daher. Wer in Ruhe eine Feuerzangenbowle im handgetöpferten Becher oder einen Weihnachtscrepe mit Quark, Rumrosinen und Zimt (gewöhnungsbedürftig, aber lecker) genießen möchte, ist hier genau richtig. Kinder können nicht verloren gehen, und überhaupt sind alle Stände in einer Viertelstunde umrundet. Das einzige, was stört, ist die unterschiedliche Musikbeschallung, der man nicht entkommen kann: Aus den Lautsprechern am einen Ende dröhnen Weihnachtsgospels, vom Kinderkarussel am anderen Ende Jingle-Bells im Disco-Sound. ak

Weniger Bratwurst, dafür Falafel, argentinische Empanadas und ebensolche Quittenkuchen – der Altonaer Weihnachtsmarkt in Ottensen gibt sich multikulturell. Unbedingt versuchen sollte man den dänischen Glühwein „Glög“ mit Mandeln und Rosinen, die alkoholreichere estländische Variante ist aber auch nicht zu verachten. Außer indischem Silberschmuck und arabischen Töpferwaren lassen sich hier handgenähte Designer-Kleidung und modische Umhängetaschen erwerben, und wer sich gar nicht entscheiden kann, kauft am Stand der „Nordsee-Lotterie“ zumindest ein Los zugunsten der Seehundaufzuchtstation in Friedrichskoog. ak

Nirgendwo ist Weihnachten so weit weg wie im Einkaufszentrum Hamburger Straße – wer hier Atmosphäre sucht, wird wie Tannhäuser einst nach dem Heiligen Gral zu den ewigen Suchern gehören. Kamps und Thalia-Bücherstand haben Tannengrün und Sternchenglitzer um ihre Verkaufstheken gewunden: Das muss reichen, um es als Weihnachtsmarkt durchgehen zu lassen. Die Leute hasten vorbei, unterwegs zu Douglas oder Nordsee, deren Filialen ranken sich idyllisch um die paar adventlich anmutenden Büdchen. Hier funktioniert der Weihnachtsmarkt nur als Beiwerk zum Großeinkauf, und das soll natürlich auch so sein. aha

In Bergedorf spielt ein Straßenmusiker auf dem Xylophon „La Paloma“, und einer, der an diesem Nachmittag schon zu viel Glühwein hatte, versucht den Leuten auf die Schulter zu hauen und ruft ihnen ein „Ja, ja, der alte Papa Albers“ zu. Es ist ihm nicht zu verdenken, denn in Bergedorf macht man keine modischen Experimente. Dies ist der älteste Weihnachtsmarkt Hamburgs, und da weiß man, was man den Leuten anzubieten hat: Glühwein, Glühwein, Glühwein. Der ganze Markt liegt unter der entsprechenden Duftwolke, und so muss das auf einem ordentlichen Weihnachtsmarkt auch sein. Hier mampfen die BesucherInnen ihren Backfisch oder ihre Currywurst, da weiß man, was man hat. Die Jumbo-Pommes mit grünem Ketchup, die ein Stand anbietet, lässt man dagegen links liegen. In Bergedorf kann es Weihnachten werden. aha

Ein Weihnachtsmarkt, der sich nicht aufdrängt, findet sich in St. Georg: In der Koppel 66 gibt es freitags bis sonntags von 11 bis 19 Uhr Klein- und Großigkeiten für kleine und große Geschenketats. Die Tampon-Tasche gibt es schon für 16 Mark, für die fettflauschige Mohair-Decke, die mit ihren leuchtenden Farben graue Tage bunt macht, sind allerdings über 500 Mark fällig, für kunstvolle Kreisel aus Edelhölzern auch schon mal über 1000. Aber schließlich befinden wir uns auch auf der „Adventsmesse 2001“, einer „Verkaufsausstellung für Kunsthandwerk und Design“. Ob kaufen oder gucken, be- oder sich wundern, dieser Markt ist jedes Jahr einen Besuch wert. Und ein Abstecher in das Cafe im Erdgeschoss unbedingt anzuraten: Gemüse-, Käse-, Schokoladentorten, fliegende Krokodile – wer schon nichts zum Schenken findet, beglückt sich eben selber mit einem monstermäßigen Kuchenstück. san