Streit um Frauen auf Japans Thron

Die Vorauswahl für die Fußballweltmeisterschaft und der Start des Harry-Potter-Films interessierten viele Japaner am Wochenende mehr als die Geburt des Kaiser-Babys. Doch ist die Diskussion über die Tronfolge erneut entbrannt

YOKOHAMA taz ■ Die Nachricht erreichte die Menschen im Plattenladen von Yokohama. Ein japanischer Rap brach ab, ein Gong spielte und darauf kam die kurze Durchsage: „Kronprinzessin Masako hat heute kurz vor drei Uhr ein Mädchen geboren. Die Mutter und das Baby sind gesund. Wir gratulieren von Herzen.“ Ein Lächeln da, ein Murmeln und zustimmendes Nicken dort. Kein Jubel. Keine Banzai-Rufe waren später am Bahnhof zu hören, als die Masako-Sonderblätter der großen Zeitungen gratis verteilt wurden. Schon gar nicht von den Männern! Die standen dicht gedrängt vor einem Großbildschirm, auf dem die Fußball-WM-Verlosung aus Südkorea übertragen wurde. Die Banzai-Rufe ertönten erst, als Japan in der relativ leichten Gruppe H landete.

Für die Männer war am Samstag der Fußball definitiv wichtiger als das freudige Ereignis am Kaiserhof. Aber selbst die Frauen Nippons blieben gelassen. Sie schwenkten am Sonntag nicht Fahnen am Tor des Kaiserpalastes, sondern standen zu tausenden vor den Kinos, wo gerade der Harry-Potter-Film startete.

Zum richtigen Zeitpunkt kam die Geburt für die Regierung von Premier Junichiro Koizumi, die seit diesem Sommer ständig mit Hiobsbotschaften über die kriselnde Wirtschaft kämpfte. „Ich hoffe, dass das Land nun in eine frohere Stimmung fällt“, erklärte Koizumi, der im April, als die Nachricht von der Schwangerschaft Masakos durchsickerte noch an einen Babyboom in Japan glaubte. Die Hoffnung war unbegründet.

„Nüchtern betrachtet ist dies die einzige gute Nachricht dieses Jahres“, erklärte die Frauenpolitikerin Kiyomi Tsujimoto von der oppositionellen sozialdemokratischen Partei Japans. Tsujimoto gehört zu den jungen Abgeordneten, die eine Revision des konservativen Hofgesetzes von 1948 fordern. Dieses verbietet Frauen das Recht auf den Kaiserthron.

„Das Gesetz ist ein Symbol der Frauendiskriminierung in Japan. Es ist an der Zeit, es zu ändern und damit die Stellung der Frauen in der Gesellschaft zu stärken“, erklärte Tsujimoto. Sie eröffnete damit eine weitere Runde einer Diskussion um die Thronfolge in Japan. Bereits am Sonntag antworteten die konservativen Kräfte aus der regierenden Liberal-Demokratischen Partei (LDP). Taro Aso, der Vorsteher des Politischen Ausschusses in der LDP winkte ab: „Wir haben keine Pläne, das Hofgesetz zu ändern, weil wir derzeit nicht wissen, ob in Zukunft nicht doch noch ein Junge geboren wird.“ Damit deutete er indirekt an, dass die LDP von Masako (37) und dem Kronprinzen Naruhito (41) weitere Kinder wünscht.

In der Bevölkerung sind mehr als zwei Drittel dafür, dass der Thron für Frauen geöffnet wird. Der Stimmungsumschwung erfolgte in den letzten zwei Jahren vorwiegend aus Anteilnahme für die Kronprinzessin. Sie hatte 1999 eine Fehlgeburt erlitten. Der Druck einen männlichen Nachfolger zu gebären, war extrem hoch. Dieser Druck, so fürchten viele Frauen, könnten Konservative nun erneut auf Masako ausüben. ANDRÉ KUNZ