Courage hinter Polizeiketten

NPD-Aufmarsch führte nicht durchs Scheunenviertel. Polizei hielt abgesprochene Route geheim und tausende Nazi-Gegner auf Distanz. Resultat: Straßenschlacht vor Synagoge und Kritik an Polizei

von DIRK HEMPEL

Endstation Absperrung: Mehrere tausend Menschen, die am Samstag gegen den Aufmarsch der rechtsextremen NPD in Mitte protestieren wollten, scheiterten an der Polizei. Mit rund 4.000 Beamten hielten die Ordnungshüter die Nazi-Gegner auf Distanz. Mehrfach kam es dabei zu schweren Ausschreitungen, besonders vor der Synagoge an der Oranienburger Straße. Es habe keinerlei Sensibilität der Polizei für den Raum vor der Synagoge gegeben, kritisierte Anetta Kahane von der Jüdischen Gemeinde das Einsatzkonzept.

Die Route der NPD-Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung wurde im Vorfeld geheim gehalten. Noch am Freitag hatte es geheißen, der Marsch der NPD werde wie geplant durch das ehemals jüdische Scheunenviertel führen. Die Ausweichroute von der Friedrichstraße über Chaussee- und Invalidenstraße zum Nordbahnhof hatten Polizei und NPD bereits am 6. November vereinbart.

Die umliegenden Straßen wurden weiträumig abgeriegelt. Zwei Bahnhöfe der U 6 wurden komplett gesperrt. Teilweise wurde selbst Anwohnern der Durchgang verwehrt, um Protesten am Rande des NPD-Aufzuges vorzubeugen. An vielen Absperrungen wurde den Beamten Unverständnis, Ärger und Wut wurde entgegengebracht. Immer wieder kam es zu Wortgefechten und Rangeleien. Am stärksten eskalierte es in der Oranienburger Straße, wo die Polizei einer Demonstration der Antifaschistischen Aktion Berlin den Weg zum Treffpunkt der Nazis verstellte. In unmittelbarer Nähe der Synagoge entwickelte sich eine Straßenschlacht: Wasserwerfer, Räumpanzer, Knüppel und Tränengas werden von der einen, Steine und Flaschen von der anderen Seite eingesetzt. Später wurden in der Nähe des Hackeschen Marktes und auf der weiter nördlich gelegenen Torstraße Barrikaden errichtet und Scheiben von Banken eingeworfen.

Prominente Politiker besuchten indes demonstrativ die Wehrmachtsaustellung, die PDS hatten dafür extra ihren Parteitag unterbrochen. Angesichts des NPD-Marsches bekräftigte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Forderung nach einem Verbot der Partei. Sein Parteikollege Innensenator Ehrhart Körting verteidigte indes das von Demonstranten, Jüdischer Gemeinde, Grünen und PDS kritisierte Einsatzkonzept der Partei. Die Jüdische Gemeinde habe gewusst, dass seitens der Polizei bei der Routenplanung auf „Empfindlichkeiten Rücksicht genommen“ werde. Die PDS will einen Untersuchungsausschuss zum Einsatz vor der Synagoge beantragen.