Wenn die Gitarre leise weint

Ein persönlicher Abschied: Fünf Songs aus der Feder von George Harrison, an die es sich zu erinnern lohnt

MY SWEET LORD (1970)

Unmöglich, beim Gang über den Flohmarkt nicht an George Harrison zu denken. Spätestens am Stand mit den Batikblusen und den Räucherstäbchen klingt einem „My Sweet Lord“ im Ohr, mit seinem süßlichen „Hare Krishna“-Refrain. Harrison hat wie kein Zweiter zur Popularisierung jenes Hippie-Exotismus beigetragen, für den Indien das gelobte Land war, gleichzeitig aber brachte er damit ein Stück Welt in eine noch strikt anglozentrische Popmusik. Angefixt von fernöstlicher Philosophie, ging er beim Sitar-Virtuosen Ravi Shankar in die Lehre, und 1968 bewegte er seine Mit-Beatles sogar dazu, mit Blumenketten um den Hals seinem Guru aufzuwarten. Tausende von Wohlstandsjugendlichen sollten ihren Spuren folgen, und fortan die Bevölkerung mit Kiffergrinsen und notorischer Knauserigkeit nerven. DANIEL BAX

APPLE SCRUFFS (1970)

Weit mehr als die beiden Superbeatles war George ein Normalo. Er war der einzige Beatle, der – mit „Apple Scruffs“ – seinen Fans jemals ein Stück Popgeschichte widmete: den Apfelbutzen, wie die Fab Four und ihr Anhang die nannten, die vor dem Apple-Gebäude in London darauf warteten, dass einmal, bitte wenigstens nur dies eine Mal einer ihrer Helden herauskäme und sie für eine Sekunde registrieren würde.

Und er war auch der einzige Beatle, der jemals „hi“ zu Werner, Helmut und mir gesagt hat: drei seiner Fans bei Proben im Madison Square Garden, kommt ein freundlicher Herr im besten Alter in Knallpink vorbei, den Jungs klappt – das ist doch George – die Kinnlade herunter, George sagt „hi“ und geht seines Wegs! „Hi, George!“ – wohin auch immer dein Weg dich nun führt . . . CHRISTIAN BECK

WHILE MY GUITAR . . . (1968)

Als ich zwölf war, schenkte mir mein Opa das „Weiße Album“ zu Weihnachten. Die Platte lief im Partykeller, während ich einen Fußball immer wieder an die Wand schoss, um meine Technik zu verbessern.

Auf dem Weißen Album sind vier große Songs von George Harrison; darunter Harrisons bekanntestes Lied: „While my Guitar Gently Weeps“. Ein Glücksversprechen, so schlank und schön und elegant und gleichzeitig so ein wehmütiger Blick auf die Welt. Dieses schöne Traurigsein spürte man als Kind, obgleich man die Worte nicht verstand: „I don‘t know how someone controlled you/They bought and sold you“ . . .

Man konnte es nicht richtig mitsingen, die Wörter waren zu kompliziert. Am schönsten ist der Anfang, dies „Hey ho“, mit dem eine frühlingshafte Welt des melancholisch wissenden Glücks geöffnet wurde.

DETLEF KUHLBRODT

PIGGIES (1968)

Die großartigsten Versionen von Beatles-Songs stammen von den „Beatles Barkers“: Hunde, Schafe, Katzen und sogar Elefanten interpretieren Stücke wie „Love Me Do“ oder „We Can Work It Out“.

Der einzige Beatle, der diese Entwicklung kongenial vorausgeahnt hatte, war George Harrison mit seinem Song „Piggies“ und dessen wunderbarem Schweinegrunzen im Hintergrund: ein Juwel des Weißen Albums und gleichzeitig die expliziteste gesellschaftliche Stellungnahme des scheuen Gitarristen.

Bis dahin eher harmloser Liebeslyrik zugewandt, bedachte Harrison unter dem Einfluss Bob Dylans plötzlich „Schweinchen in gestärkten weißen Hemden“ mit Zeilen wie: „In their eyes there’s something lacking, what they need’s a damn good whacking“. Zu Harrisons Entsetzen wurde der Song später von Charles Manson und seiner mörderischen Gang zu einer Art Leitmotiv erkoren.

MATTI LIESKE

BLOW AWAY (1979)

Irgendwann musste man aufhören, von der Rockmusik die Überwindung des Kapitalismus und so Zeugs zu erwarten. Die Beatles waren das eine. George Harrison aber war danach einfach ein Musiker, der sein Ding machte. Angenehm: Er wollte auch nicht mehr sein. Und mit Glück fielen pro Platte einer oder auch zwei schöne, harmlose Popsongs ab, die einen drei Minuten glücklich summen ließen. Was nur bestätigte, dass John und Paul ihn zu aller Nutzen klein gehalten hatten. Georges Meisterwerk war immer „Abbey Road“ mit seinen zwei Großen: „Here comes the Sun“ und „Something“. Mehr wäre zu viel des Guten gewesen.

„Blow away“ ist der Harrison-Song, den ich seit 1979 höre. Wunderbare Harrison-Gitarre und der übliche Text:

„All I got to do is to love you/

All I got to be is, be happy.“

Seine Botschaft war die Liebe. Das kann man doch akzeptieren.

PETER UNFRIED