Die beste Aussicht ist dicht

■ Nach em dem Brand im Moskauer Fernsehturm und anderen Unglücken hat einer bei Bremens höchstem Gebäude nachgeguckt – die Folge: Die Fallturm-Spitze ist gesperrt

120 Meter über Bremer Normal- Null. Solche exquisiten Lagen mit bester Aussicht sind derzeit nur noch kleinen Experimentierkapseln zugänglich. Technischen Gerätschaften meist, die auf Aussicht keinen Wert legen, sondern in völliger Schwerelosigkeit einfach nur gen Boden fallen. Menschen jedenfalls haben keinen Zutritt mehr zum höchsten Punkt über Bremen, hoch oben im Fallturm.

Zwar gibt es ganz oben ein kleines Zimmerchen mit allerfeinster Aussicht und Platz für Uni-Tagungen und Seminare. „Selbst eine standesamtliche Hochzeit hatten wir schon“, erzählt der Leiter des Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM), Hans Rath. Nun aber ist die begehrte Immobilie seit Sommer gesperrt – aus Sicherheitsgründen.

Erst der Brand im Moskauer Fernsehturm (537 Meter hoch). Dann vor einem Jahr das Unglück bei Kaprun, wo eine Standseilbahn in einer fast senkrechten Tunnelröhre (4.000 Meter lang) verunglückte. Alles irgendwie mit dem Fallturm vergleichbar, fand die Feuerwehr. Und prüfte.

Seither fordern die Sicherheitsberater technische Nachbesserungen am Turm der Schwerelosigkeit. Der Aufzug müsste leichten Überdruck kriegen, heißt es. Damit bei Rauchentwicklung nichts in die Kabine eindringt. Und auch die Elektronik-Kabel zu den Computern und Anlagen oben bräuchten neue Abdeckungen, damit sie ein paar Stunden länger einem Feuer standhalten könnten.

Das aber wird teuer: 220.000 Mark sollen die Sicherheitsvorkehrungen kosten. Bloß: „Unsere Mittel sind ausgeschöpft“, erklärt die Uni. Die dafür wiederum mehr Geld vom Bildungsressort fordert. Aber auch da ist das Geld knapp, und überhaupt müsse man das erst mal prüfen. Wie lange? „Das ist nicht absehbar“, so der Sprecher des Ressorts.

Also bleibt Bremens höchstes Mietobjekt vorerst dicht. „Zwar ist bisher noch nie was passiert“, sagt Rath. Seit elf Jahren nicht ein biss-chen. Aber ohne Nachrüstung wird es mit Rath keine Festivitäten unter der Turmspitze mehr geben. Auch wenn dem ZARM die Nutzungsgenehmigung – trotz der Mängel – bislang nicht entzogen wurde. „Ich jedenfalls werde die Verantwortung dafür nicht übernehmen“, erklärt Rath. Einzig einige Mitarbieter des ZARM lässt er noch hoch zu War-tungsarbeiten – allerdings „mit ganz ungutem Gefühl“.

Zwar hat das ZARM allein an Vermietung des luftigen Örtchens pro Jahr mindestens 30.000 Mark eingenommen. Finanzieren könne man damit die Nachbesserungen aber auf keinen Fall. Inklusive Betreuung, Organisation und Renovierungen der Galerie war die Vermietung meist ein Nullsummenspiel. So aber ist die Uni um eine Attraktion ärmer.

Dorothee Krumpipe