Saubere Energieerzeugung

Im Süden Spaniens steht die größte europäische Forschungsanlage für Solarenergie. Dort testen deutsche und spanische Wissenschaftler verschiedene Typen von solarthermischen Kraftwerken

von BETTINA WEGNER

Braune Hügel soweit das Auge reicht. Hier und da ein paar verdorrte Sträucher und Staub, viel Staub. Eine fast unwirkliche Kraterlandschaft, unwirtlich und einsam. Ungefähr eine halbe Autostunde nordöstlich von Almería, im Süden Andalusiens, liegt Tabernas, Europas einzige Wüstenregion. Der Boden ist hier so trocken, dass die acht Monate zwischen März und November überhaupt nichts wächst. Durchschnittlich 330 Tage im Jahr prallt die Sonne vom Himmel. Und stellt damit eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle dar: In nur einer halben Stunde strahlt sie so viel Energie auf die Erde, wie alle Menschen derzeit in einem Jahr verbrauchen.

Abgeschieden liegt hier die „Plataforma Solar de Almería“, die größte Solarenergie-Forschungsstation Europas. Nach der kargen Ursprünglichkeit der andalusischen Steppe wirkt das Forschungsgelände geradezu futuristisch.

Es geht vorbei an unzähligen Solarspiegeln, die die Sonne in unterschiedlichen Winkeln reflektieren, und an komplizierten Konstruktionen aus Glas und Metall. Architektonische Schönheit von hohem Umweltnutzen. An die 80 Mitarbeiter, Spanier und Deutsche, erforschen hier, wie man die fast unbegrenzt zur Verfügung stehende Sonnenenergie nutzbar machen kann.

Angefangen hatte alles 1979 mit einem Solarkraftwerks-Projekt der Internationalen Energieagentur (IEA). 1986 wurde dann die andalusische Forschungsanlage auf Basis eines deutsch-spanischen Abkommens zu einem gemeinsamen Testzentrum umgewandelt. Die jährliche Finanzierung von etwa sieben Millionen Mark sicherten das spanische Energieministerium und das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Geleitet wurde die Anlage von je einem Vertreter des spanischen Energieforschungszentrums und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). 1998 stellte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung die Finanzierung jedoch ein.

Der Kooperationsvertrag wurde wertlos. Seitdem gastieren die deutschen Forscher als Untermieter auf dem Gelände. Die deutschen Forschungsgelder kommen inzwischen projektorientiert von der Europäischen Union, dem Deutschen Luft- und Raumfahrtszentrum selbst und aus den Mitteln der UMTS-Gelder, die für regenerative Energien zur Verfügung gestellt wurden. Das macht die Arbeit nicht einfacher für das in Europa einzigartige Testzentrum. Neben Forschungen in den Bereichen Solarchemie, solarer Meerwasserentsalzung oder solarer Materialuntersuchung für die Luft- und Raumfahrttechnologie geht es in Andalusien um die Weiterentwicklung solarthermischer Kraftwerke. Kraftwerke, die nahezu schadstofffrei und klimafreundlich Strom produzieren. Sie liefern zur Zeit die Hälfte des weltweit erzeugten Solarstroms, und zwar sehr viel kostengünstiger als andere Techniken solarer Stromerzeugung. Und das – im Gegensatz zum Atomstrom – ohne jedes Risiko.

Anders als bei der Photovoltaik wird bei der Solarthermie nicht Sonnenlicht direkt in Elektrizität umgewandelt. Solarthermische Kraftwerke sind Dampf- und Gaskraftwerke, die einen Großteil ihrer Primärenergie aus der Sonne gewinnen. Der Vorteil: Sie sind kombinierbar mit herkömmlicher Kraftwerkstechnologie und lassen sich in sonnenarmen Zeiten auch mit Kohle, Gas oder Öl befeuern.

In Tabernas werden drei verschiedene Typen solarthermischer Kraftwerke getestet. Kommerziell genutzt wird bislang nur die Parabolrinnenanlage. Seit 1986 entstanden neun Parabolrinnenfelder mit insgesamt 354 Megawatt in der Kalifornischen Mojavewüste. Jedes Einzelne liefert genug Strom für eine mittlere Kleinstadt. Parabolrinnenkraftwerke bestehen aus einer Reihe miteinander verbundener parabolisch geformter Spiegel, die die Sonne unter verschiedenen Winkeln reflektieren. Das Sonnenlicht wird dabei mit 80-facher Konzentration auf ein Absorberrohr geleitet, das in der Mitte der Rinne entlangläuft und einen Wärmeträger enthält.

In den meisten Fällen ist das ein spezielles Thermoöl, das auf bis zu 400[o]C erhitzt wird und die eingestrahlte Energie an eine Dampfturbine weitergibt. „Wichtig ist das Prinzip“, erklärt Volker Quaschning von der DLR. „Wir haben unter Druck verdampftes Wasser, das dann eine gewöhnliche Turbine und einen Generator antreibt.“ In Almería versuchen deutsche und spanische Wissenschaftler in einem weltweit einzigartigen Forschungsprojekt das Öl durch normales Wasser zu ersetzen. Das wäre viel umweltfreundlicher und hätte außerdem einen enormen Kostenvorteil, denn Thermoöl ist teuer.

Der zweite Vertreter solarthermischer Kraftwerkstechnik, der in Südspanien getestet wird, ist das Solarturmkraftwerk. Wie ein gigantischer Schornstein ragt der etwa 80 Meter hohe Betonturm in den Himmel. Im Halbkreis um den Turm sind 300 Spiegel, so genannte Heliostaten, angeordnet, die einzeln der Sonne nachgeführt und auf einen Empfänger an der Turmspitze ausgerichtet werden müssen. Dabei werden Temperaturen bis über 1.000[o]C im Brennpunkt erzeugt. Wärmetransmitter ist in diesem Fall Luft oder auch flüssiges Salz. Auch hier wird schließlich mittels einer Turbine und eines Generators Strom erzeugt. Sowohl Parabolrinne als auch Turmkraftwerk werden bei großen Leistungen ab 50 MW als kostengünstigste Möglichkeit solarer Stromerzeugung betrachtet.

Eine weitaus geringere Leistung erzielt die so genannte Dish/Stirling-Anlage. In Almería stehen zur Zeit sechs davon. Äußerlich ähnlich einer vergrößerten klassischen Parabolschüssel, wie man sie von zahlreichen Balkonen kennt, eignet sie sich vor allem zur dezentralen Energieversorgung in abgelegenen Gebieten als Alternative zu kleinen Dieselmotoren. „Bei der Dish/Stirling-Anlage konzentriert ein schüsselartiger Hohlspiegel die Sonnenstrahlung bis zu 4.000 Mal auf einen Strahlungsempfänger, vor den direkt ein luftgekühlter Stirlingmotor und ein Generator montiert ist“, erklärt Quaschning das System. Eine einzelne Dish/Stirling-Anlage produziert etwa so viel Strom wie für 10 bis 100 Haushalte benötigt wird.

Bisher existieren allerdings nur Prototypen dieser Anlage. Deshalb liegen die Herstellungskosten sehr hoch und in den angedachten Anwendungsgebieten werden bereits kostengünstigere Photovoltaikanlagen betrieben. Grundlegendes Problem aller solarbetriebenen Kraftwerke ist die Abhängigkeit von direkter Sonnenstrahlung. Im Gegensatz zur Photovoltaik werden die Anlagen schon bei diffusem Licht nutzlos. Das Speichern des elektrischen Stroms für die Nacht oder Schlechtwetterperioden ist technisch aber bereits möglich.

Die kalifornischen Anlagen etwa arbeiten erfolgreich mit Ölspeichern. In Andalusien gibt es verschiedene Modelle. Für die angedachten Größenordnungen sind die allerdings bisher noch nie gebaut worden.

Andererseits lassen sich solare Wärmekraftwerke alternativ auch mit fossilen Brennstoffen wie Kohle oder Gas betreiben. Ein doppelter Kostenvorteil: Zum einen kann Strom unabhängig vom Sonnenstand bedarfsgerecht geliefert werden. Zum anderen können die Solarkraftwerke mit herkömmlichen Dampf- oder Gaskraftwerken gekoppelt und Turbinen oder Generatoren simultan genutzt und so der Übergang in die solare Energiewirtschaft erleichtert werden. Den sonnenreichen Ländern rund um den Äquator bis nach Südeuropa bieten solarthermische Kraftwerke damit eine zukunftsträchtige und klimafreundliche Alternative der Stromerzeugung. Für den mittel- und nordeuropäischen Raum wird der solare Strom über europäische Netze aus dem Süden kommen können. Das ist technisch schon heute machbar, ökonomisch aber nicht attraktiv, denn Öl und Gas sind immer noch extrem billig. Und wer bezahlt schon gerne viel für etwas, das er auch billiger haben kann.