CASTOR: DEM WIDERSTAND FEHLT NICHT NUR POLITISCHE RÜCKENDECKUNG
: Die schönen Bilder fehlten

Kaum hatte der fünfte Castor-Transport gestern das Endlager Gorleben erreicht, da sprach die Polizei von einer „Rekordzeit“ für die letzten 18 Kilometer. Von schwachem Widerstand kann trotzdem nicht die Rede sein. Allein im Wendland mussten 15.000 Polizisten und Grenzschutzbeamte aufgeboten werden. Den dicksten Brocken, die Gehälter der Ordnungskräfte, nicht mitgezählt, hat der Transport so erneut zwischen 40 und 50 Millionen Mark gekostet. Zwar kamen diesmal nur einige tausend Castor-Gegner. Aber sie verlangten der Staatsmacht Höchstleistungen ab.

Dennoch drohen dem Widerstand im Wendland vielerlei Gefahren. So konnte die Bürgerinitiative diesmal wenig medienwirksame Bilder liefern. Behörden und Polizei haben nämlich nicht nur die Regelverletzung zu unterbinden versucht, sondern auch den großen gemeinsamen Aufzug von Bevölkerung, Bauern und auswärtigen AKW-Gegnern im Wendland selbst nicht zugelassen – und damit das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit missachtet. Was Polizei und Behörden dürfen, entscheidet sich nämlich keineswegs nur vor Gericht. Der BI fehlt heute auch die Deckung aus dem politischen Raum, die sie immer genossen hat. Es fehlen die (grünen) Parlamentsabgeordneten und Kommunalpolitiker, die medienwirksam in der ersten Reihe der Blockade sitzen, oder auch die niedersächsische Landesministerin, die das Mitblockieren zumindest medienwirksam ankündigt. Und auch die Zahl der jungen, umweltbewussten oder autonomen Anhänger von außerhalb, die die BI für sich gewinnen konnte, hat drastisch abgenommen.

Schließlich scheint dem wendländischen Widerstand das durch Aktion erreichbare Nahziel abhanden zu kommen. Früher machten die Wendländer ihre Heimat gegen den von außen kommenden bösen Atommüll dicht. Das war eingängig und attraktiv. Heute weiß die BI, dass sie den Castor ohnehin nicht stoppen kann. Sie will mit ihren Aktionen für einen wirklichen Atomausstieg demonstrieren und nebenbei mit Rot-Grün abrechnen. Dafür jedoch könnte man auch eine Latschdemo in Berlin veranstalten. JÜRGEN VOGES