Philip Marlowe geht online

Wissen ist für die Wirtschaft zum vierten Produktionsfaktor geworden. „Info-Broker“ für Internet-Recherchen sind gefragt. Kombiniere: die Akribie des Archivars mit der Neugier des Detektivs

von CHRISTOPH RASCH

Wissen ist Macht – und für die Wirtschaft inzwischen auch zum „vierten Produktionsfaktor“ neben Arbeit, Boden und Kapital geworden. Die Fachleute für das „Gewusst, wo, wie und wer“ im Internet nennen sich „Informations“- oder „Wissensmanager“, „Informations Researcher“ oder kurz „Info-Broker“. Ihre professionellen Recherche-Dienste nehmen neben mittelständischen Unternehmen vor allem statistische und Forschungsinstitute sowie Agenturen, Verlage oder Banken in Anspruch.

Die Chancen für Neu- oder Quereinsteiger sind groß, denn „die bisherigen Formen der Wissensgenerierung, -verteilung und -nutzung verändern sich drastisch“, hieß es im Fazit der gerade in Dresden zu Ende gegangenen Informationsmesse Knowtech (www.knowtech.net).

Charakteristisch für den angehenden Datensammler: eine Verbindung aus der Akribie des Archivars und der Neugier des Detektivs. Seine Aufgabe: die Recherche im unsystematischen Internet und seinen mehreren tausend verschlüsselten Online-Datenbanken, auf CD-ROM-Archiven und in Bibliothekskatalogen.

Dort „kauft“ der Infobroker seine „Ware Wissen“. Das können Wettbewerbsanalysen, Marktstudien, Personendossiers oder einfach nur Detail-Infos wie Patent- oder Handelsregisternummern sein. Am Ende der Recherchen steht ein geordnetes und analysiertes Datenpaket als Ergebnis. Auch Aufbau und ständige Pflege eines Kontaktnetzwerks zu Medien, Behörden und Wirtschaft können Teil der täglichen Arbeit sein.

Der Markt hat Bedarf: „Die Jobangebote kommen oft schon, bevor die Ausbildung beendet ist“, sagt Christine Fisch von der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis. Auf deren Homepage findet sich eine Übersicht mit Bildungsangeboten (www.dgi-info.de) – von achtwöchigen Weiterbildungen zum „Informations-Assistenten“ bis hin zu kompletten Magisterstudiengängen der Informationswissenschaft.

Christine Fisch meint: „Der Boom hat erst begonnen – der Markt wird auch in den nächsten Jahren nicht gesättigt werden.“ Nicht nur im Wirtschafts-, sondern zunehmend auch im Wissenschaftsbereich: Vor allem Firmen aus Chemie und Bio-Technologie – im Branchenjargon „Life-Science“ – suchen gute Rechercheure, etwa wenn es um Details zu neuen Patenten geht.

„Diese Firmen sind sogar per Gesetz dazu verpflichtet, unabhängige Info-Broker zu beschäftigen“, sagt Christine Fisch, die angehenden Info-Managern jedoch rät: „Sich gleich nach dem Studium selbständig zu machen ist ein Fehler.“ Denn die Zahl der selbständigen Info-Unternehmen halte sich konstant bei rund 200, dort gibt es kaum Bewegung. Die Zahl der Profi-Informationsvermittler schätzen Experten bundesweit auf über 5.000 – davon ist jeder zehnte Freiberufler.

Informations-Management scheint also nach wie vor zukunftsträchtig. Und die Ausbildung gewinnt an Struktur: Das noch bis vor kurzem gängige „Learning by doing“ ist weitgehend von Weiterbildungsangeboten abgelöst worden. Ausbildungen, oft als Aufbaustudien, bieten die Institute der Bibliotheks- und Informationswissenschaften von rund einem Dutzend deutscher Hochschulen an, einen weiteren Überblick gibt es unter www.infobroker.de/beruf. Am Ende steht etwa der Titel „Diplom-Informationswirt“.

Doch erst fachliche Spezialisierung ist der Schlüssel zum Erfolg – diese sollte also in den ersten Berufsjahren erworben werden. Absolventen, rät die DGI-Expertin, sollten zunächst im Recherchebetrieb Erfahrungen sammeln und sich ein Spezialgebiet erarbeiten – denn, sagt DGI-Frau Christine Fisch, „in den wenigsten Ausbildungsgängen finden sich Möglichkeiten zur Spezialisierung auf ein Fachgebiet“. Fachwissen in den Hauptrecherchegebieten (Naturwissenschaften, Jura und Wirtschaft) ist obligatorisch, ebenso Fremdsprachenkenntnisse (das gilt vor allem für Fachtermini).

Einen Vorteil hat, wer bereits als Archivar oder Dokumentar gearbeitet hat. Was den Info-Manager jedoch von beiden Berufen abhebt – und somit sein „Wissen“ zur „Macht“ werden lässt –, ist vor allem eins: Schnelligkeit.