Sächsischer Datenwächter freigesprochen

Verfahren gegen Datenschützer offenbart gravierende Mängel in Amtsführung des Ex-Justizministers Heitmann

DRESDEN taz ■ Der sächsische Datenschutzbeauftragte Thomas Giesen ist gestern vom Dresdner Landgericht vom Vorwurf des Geheimnisverrats freigesprochen worden. Sein Wächteramt über die Gewaltenteilung und das kritische öffentliche Interesse hätten die Geheimhaltungspflichten überwogen, erklärte der Vorsitzende Richter Hans-Peter Kotyrba. Er regte zugleich an, die Veröffentlichungsrechte des Datenschutzbeauftragten im sächsischen Datenschutzgesetz präzise zu regeln. Giesen sprach von einem „Freispruch erster Klasse“.

Die Staatsanwaltschaft ließ gestern offen, ob sie in Revision gehen wolle. Oberstaatsanwalt Arthur Ast hatte 9.600 Mark Geldstrafe gefordert, während die Verteidigung auf Freispruch plädierte. Auch die Datenschutzbeauftragten der Länder hatten sich hinter Giesen gestellt und dessen Recht auf öffentliche Beanstandung besonders brisanter Fälle unterstützt.

Das Verfahren war auf Veranlassung von Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm eröffnet worden. Der Datenschützer war im Sommer vorigen Jahres auf einen Fall gestoßen, in dem sich der damalige Justizminister Steffen Heitmann (CDU) aus einem laufenden Verfahren gegen einen Parteifreund in Görlitz berichten ließ. Giesen warf Heitmann vor, seine Erkenntnisse dem Görlitzer CDU-Kreisvorsitzenden weitergegeben zu haben. Da sich Heitmann trotz schriftlicher Aufforderung uneinsichtig zeigte, machte Giesen seine Beanstandung öffentlich und zitierte dabei auch handschriftliche Notizen des Ministers. Heitmann trat wenige Wochen später wegen der Affäre zurück.

Hintergrund der Affäre sind CDU-interne Streitigkeiten in Görlitz, die der inzwischen abgewählte Oberbürgermeister Matthias Lechner als „Komplott“ gegen sich bezeichnete. Er hatte Giesen auf den Fall aufmerksam gemacht. Im Verlauf des viertägigen Prozesses erwies sich, dass das Landgericht das Verfahren auch deshalb zugelassen hat, um die Vorwürfe gegen Heitmann zu klären und die Stellung des Datenschutzbeauftragten zu stärken. So sprach der Vorsitzende von einem klaren Verstoß Heitmanns gegen den Datenschutz.

Der Auftritt des ehemaligen Justizministers Heitmann als Zeuge hatte gravierende Mängel in dessen Rechtskenntnis und Amtsführung offenbart. Details der Beweiserhebung legen außerdem den Schluss nahe, dass Heitmann auch durch Regierungskreise zu Fall gebracht wurde. So wurde er zum Beispiel möglicherweise nicht von der Staatskanzlei vom zweiten, mündlichen Ultimatum Giesens zur Korrektur seines Verhaltens in Kenntnis gesetzt.

MICHAEL BARTSCH