Sachsen noch schärfer als Schily

Dresdner Innenministerium will bei Einbürgerung regelmäßig den Verfassungsschutz befragen. Datenschützer entsetzt

DRESDEN taz ■ Das sächsische Innenministerium unter Klaus Hardraht (CDU) will bei Einbürgerungsverfahren die Verfassungsschutzanfrage zur Regel machen. Außerdem sollen die Befugnisse des Verfassungsschutzes (VS) auf die Beobachtung der organisierten Kriminalität erweitert werden. Das bestätigte jetzt Abteilungsleiter Eike Springborn. Eine Arbeitsgruppe mit dem Datenschutzbeauftragten Thomas Giesen berät derzeit den Gesetzentwurf, der noch in diesem Jahr vorliegen soll.

Das Vorhaben geht über den sogenannten „Otto-Katalog“ von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hinaus. Dort ist lediglich eine Erweiterung des Beobachtungsgegenstandes auf Aktivitäten vorgesehen, die sich „gegen die Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker“ richten. Der zuständige Referatsleiter Dieter Schrader beim Datenschutzbeauftragten sieht mit der Regelanfrage nach wie vor den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt. „Es kann doch nicht sein, dass jeder, der deutscher Staatsbürger werden will, eine Datensammlung beim Verfassungsschutz erhält!“

Noch schwerwiegendere Bedenken hat Schrader gegen die Beobachtungserweiterung auf die organisierte Kriminalität, für die bislang das Landeskriminalamt zuständig ist. Das Trennungsgebot von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Befugnissen werde verletzt. „Wegen der Erfahrungen mit totalitären Regimen gilt nicht von ungefähr, dass ein Dienst, der alles weiß, nicht auch alles darf.“

Ministerialdirigent Springborn vom Innenministerium hält dem entgegen, dass der VS erstens kein neues Betätigungsfeld erhalte, sondern lediglich vorhandene allgemeine Erkenntnisse abfrage. Zweitens bleibe die organisatorische Trennung von VS und Polizei weiterhin gewährleistet. Von Vorteil sei, dass der VS langfristig und strategisch arbeiten könne und nicht sofort bei jeder kleineren Straftat eingreifen müsse. Außerdem würden sich Informanten dort sicherer fühlen.

Die Rasterfahndung ist in Sachsen schon seit zehn Jahren möglich. Über Vollzugsmaßnahmen hinaus ist im Freistaat bislang nur das Gesetz über die Einrichtung einer sogenannten Wachpolizei neu eingebracht worden. 230 Stellen sollen für den Objekt- und Raumschutz bei Demonstrationen geschaffen werden, um Polizeibeamte freizustellen. Nach einer Schnellbesohlung von nur neun Wochen sollen diese befristet Angestellten sogar zur Schusswaffe greifen dürfen.

Der Datenschutzbeauftragte intervenierte, sogar die Junge Union sprach von „Hilfssheriffs“, und in Teilen der regierungstragenden CDU regt sich Widerstand. Hardraht beruft sich hingegen auf gute Erfahrungen mit einer solchen Truppe in Hessen und Berlin, während selbst sein bayerischer Kollege Beckstein von „Unsinn“ spricht.

MICHAEL BARTSCH