Der erste Rauswurf

Mit Kabel New Media schließt die Frankfurter Börse heute das erste Unternehmen vom Neuen Markt aus

HAMBURG taz ■ Wenigstens noch einmal darf die Kabel New Media AG die Nase vorn haben. Sie wird heute als erstes Unternehmen von der Deutschen Börse nach den neuen Delisting-Regeln aus dem Neuen Markt geworfen. In den kommenden Wochen sollen mindestens drei weitere Aktiengesellschaften folgen.

„Der Neue Markt droht in die Bedeutungslosigkeit abzusinken“, befürchtet die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Diesem negativen Trend versuchte die Deutsche Börse erst Anfang Oktober mit einem neuen Regelwerk entgegenzuwirken. Insbesondere so genannte Penny Stocks mit ganz niedrigen Kursen sollen danach aus dem Neuen Markt herausfliegen. Die Schmerzgrenze liegt bei einem Tagesdurchschnittskurs von einem Euro und einer Marktkapitalisierung von 20 Millionen Euro. Unterschreitet ein Unternehmen an dreißig aufeinanderfolgenden Börsentagen diese zwei Grenzwerte, schließt die Börse das Unternehmen aus dem Neuen Markt aus und reiht es in kaum beachtete Börsensegmente ein.

Nach Kabel New Media könnte eine ganze Reihe weiterer Unternehmen betroffen sein, die heute bereits unter fünf Euro notieren. Anfang Oktober hatten sogar 53 Unternehmen einen Kurs von weniger als einem Euro, weitere 110 Unternehmen lagen unter 2 Euro. Zudem weisen 130 Unternehmen derzeit eine Marktkapitalisierung von unter 20 Millionen Euro auf und verfehlen damit das zweite Kriterium.

Im Oktober hatten bereits acht Firmen ihren freiwilligen Rückzug bekannt gegeben. 19 andere wollen jedoch auf um fast jeden Preis im populären Neuen Markt bleiben und haben mit einstweiligen Verfügungen einen Aufschub der Delisting-Regeln erreicht – der niederländische Softwarehersteller Brainpower erst gestern.

Der Kabel New Media AG hätte das jedoch nicht geholfen. Sie hat Insolvenz angemeldet, was nach den neuen Regeln ebenfalls zum Ausschluss führt. Auch die drei nächsten Kandidaten Infomatec (Gersthofen), Management Data (Hamburg) sowie mb Software (Hameln) stehen vor der Pleite, und einem halben Dutzend weiterer Firmen droht das gleiche Schicksal.

Ist damit die Grundlage für ein Comeback des Neuen Marktes geschaffen, der im Verbrauchervertrauen zuletzt tief gesunken war? Aktionärsschützer sind skeptisch: „Eine richtige Reform war längst fällig“, so Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre, dafür griffen die neuen Regeln viel zu kurz. „Sie werden kein größeres Vertrauen bei den Anlegern schaffen.“

Tatsächlich ist der Neue Markt vor allem an der fehlenden Transparenz der Unternehmen gescheitert. Aber selbst die neuen Regeln sehen beispielsweise für Quartalsberichte und Jahresabschlüsse keine qualitativen und nachkontrollierbaren Normen vor. Außerdem müssten Börse und Banken gemeinsam härtere Kriterien an den Börsengang von Neulingen anlegen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. So plant die Deutsche Börse erst für das kommende Jahr einen wirklich strengen Neuen-Markt-Kodex. Für eine Erholung ist es dann wahrscheinlich zu spät. HERMANNUS PFEIFFER