Narren wie wir

Der große Zauber ist weg, doch der Pop-Olymp und das ach so fiese Antlitz von Bono locken weiterhin: Echo & The Bunnymen treten heute Abend im Maria auf

Um große Worte war Ian McCulloch noch nie verlegen. Ob das in den Achtzigern war, als er sagte, seine Band Echo & The Bunnymen stehe „jenseits von U 2 und den ganzen falschen Heilsbringern“, sie würde den Leuten vor allem „menschlich viel bedeuten“. Oder ob er auf dem neuen Bunnymen-Album „Flowers“ singt: „I know, you know, we know, I’m going down. Help me get my feet back off the ground.“

Fällt natürlich schwer zu glauben, dass so einer wirklich überzeugt davon sein soll, unten angekommen zu sein: Zu gut vereint McCulloch Einsicht und Koketterie, Bodenständigkeit und Größenwahn in einer Person.

Leider aber ist es im Moment auch nicht so, dass die Welt auf ein neues Album von Echo & The Bunnymen gewartet hat; ja, dass sich zu den Nostalgikern und treuen Altfans noch viele neue hinzugesellen.

Denn ihre große Zeit haben Echo & The Bunnymen tatsächlich gehabt, damals, in den frühen Achtzigern, als sie Platten aufnahmen, die fast schon als Klassiker gelten: Ihr 81er Debüt „Crocodile“, das stilsicher Postpunk und New Wave definierte und auch gegen Sixties-Psychedelia und Jim-Morrison-Posen nichts hatte; ihr großartig düsteres Album „Heaven Up Here“, und natürlich „Ocean Rain“ mit dem größten Bunnymen-Hit „The Killing Moon“.

Legendär auch die Cover, die die Band immer vor einer Naturkulisse zeigten, vorm Meer, vor Bäumen, in einer Tropfsteinhöhle, am Rande eines Wasserfalls. (Nicht umsonst war zu der Zeit viel von New Romantic die Rede).

Junge Wilde wie Jesus & The Mary Chain überrollten dann die Bunnymen. Plötzlich ging es darum, heavy, noisy und melodiös zu sein, nicht mehr verschwiemelt, psychedelisch und melodiös. Die Band löste sich auf, versuchte sich bald als Electrafixion (toller Versuch Noise, Pop, The Cure und die Wipers zugleich zu sein!) oder Glide, und musste auch noch den Tod ihres Drummers Pete De Freitas verkraften.

Doch anstatt noch einmal zu zocken und dann den Garten zu pflegen, also Soft-Cell- oder Heaven-17-mäßig, und auch weil Culloch mal gesagt hat, niemals ein Rock-Rebell gewesen zu sein, weswegen er wohl nie sterben würde, rangen sich Echo & The Bunnymen zu einem richtigen Comeback durch: Mit „Evergreen“ knüpften sie 1997 bruchlos an ihre Vergangenheit an. Der Titel ein Versprechen, das Cover an das von „Crocodile“ angelehnt, die Songs elegisch, traurig, sehr Bunnymen, sehr aus der Zeit gefallen. Nicht anders die folgenden Arbeiten. Songs, die nicht zwingend sind, aber weise. Alben, die in der Sammlung gut passen zu den Werken von Zeitgenossen wie Nick Heyward oder Roddy Frame: Korrekt, aber ohne den großen Zauber.

Wahrscheinlich weiß das McCulloch, wenn er „What are you going to do with your life“ singt oder „Fools like us always burned“ oder „An Eternity Turns“. Wahrscheinlich weiß er, dass man auch unspektakulär scheitern kann. Trotzdem hofft er weiter auf den einen Song, der sein Leben noch einmal durcheinander wirbelt, der ihn noch einmal abheben lässt, auf sein höchstpersönliches „A Girl Like You“. Ewig lockt der Pop-Olymp. Und das fiese Antlitz von Bono. Nur: Menschlichkeit allein hat noch nie einen wirklich großen Popstar geboren. GERRIT BARTELS

Echo & The Bunnymen: heute,21 Uhr, Maria, Straße der PariserKommune 8–11, Friedrichshain