porträt
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Aygül K.,

31, Hausfrau, Mutter von 3 Kindern, seit 24 Jahren in Deutschland.

Aygül ist wie fast alle Mitglieder der Familie K. gläubige Muslimin. Wenn sie das Haus verlässt, ist sie den islamischen Vorschriften entsprechend angezogen: So hat sie in Deutschland die Schule besucht, so lebt sie hier ihr tägliches Leben und hat, wie sie sagt, niemals Diskriminierung erlebt. Auch jetzt, nach den Anschlägen in den USA, ist sie nicht belästigt oder beleidigt worden.

Aygül geht in die Moschee, aber sie geht auch ins Kino. Sie weiß, dass hinter den meisten Moscheen große islamische Organisationen stehen, und sie weiß auch, dass einige dieser Organisationen gerade in der letzten Zeit heftig kritisiert werden. Sie selbst pendelt zwischen zwei Moscheen, die in der direkten Nachbarschaft liegen. Die eine gehört zu Ditib, der Organisation, die in Zusammenarbeit mit dem türkischen Amt für Religionsangelegenheiten den offiziellen, laizistischen Staatsislam der Türkei vertritt. Die andere gehört zu Milli Görüs, einem der umstrittenen Verbände. Umstritten gerade deshalb, weil Milli Görüs die laizistische Verfassung der Türkei ablehnt und stattdessen einen islamischen Staat befürwortet. Ein Widerspruch, der Aygül zwar bewusst, praktisch aber ganz einfach egal ist.

In die Moschee geht sie zum Beten und um sich dort Vorträge zu religiösen Themen anzuhören. Für sie hat Religion mit Politik rein gar nichts zu tun. Sie will einfach in Frieden ihren Regeln gemäß leben können, andere in Ruhe lassen und von anderen auch in Ruhe gelassen werden.

Dass ihre Kinder sich später vielleicht von der Religion abwenden könnten, das befürchtet sie nicht: „Sie lernen ja in unserer Familie alles; das kommt von allein, wenn man so erzogen wird.“ Wie der ältere Bruder soll auch die Tochter später mal in die Koranschule gehen, aber der Erziehung in der Familie misst Aygül größere Bedeutung zu. Eins steht für sie aber sicher fest: Zwingen würde sie ihre Kinder zu nichts. Dass sich hier jeder selbst entscheiden darf, ist für sie eine der wichtigen Grundregeln, von denen letztlich alle Beteiligten profitieren – auch sie als praktizierende Muslimin. ALKE WIRTH