Im Timetunnel durch New York

■ Die Oldenburger Kulturetage zeigt die brodelnde Großstadt und ihre Geschichte durch die Augen eines Kindes – und scheitert

New York: Metropole der Verheißung und des Verbrechens. Leinwand vieler Projektionen, Inbegriff von Superlativen – noch im Schrecken des Terrors. Die Oldenburger Kulturetage lotet mit dem diesjährigen „Prisma“-Festival den „Mythos New York“ aus und hat dazu ein eigenes Theaterstück produziert. Reichlich überflüssig allerdings, der Anfang: Texte der letzten Handytelefonate von Opfern des 11. September flimmern an der Wand, allerdings ohne dass dieser Teil Geschichte im Stück eine Rolle spielt. Betroffenheit muss wohl sein.

„Ein Tag in New York“, geschrieben und inszeniert von Arthur Castro, ist eine Revue, ein bunter Cocktail aus Märchen, Tanz und wummernder Musik. Der kleine Christian entflieht dem drögen Transatlantikflug mit seinen Eltern im Traum und erwacht wie Alice im Wunderland in der stinkenden Metropole. Dass es hier mehr Ratten als Menschen gibt, hatte er schon im Flugzeug gelesen.

Aber dass nicht Kaninchen die Führung durch diese fabelhafte Welt übernehmen, sondern die Freiheitsstatue höchstpersönlich, ist schon ziemlich plakativ. „Ich bin die Freiheit, die die Welt erleuchtet“, stellt sie sich vor. Der Junge antwortet: “Ich bin Christian“. Charlotte heißt die Statue und hat gerade ein paar Stunden frei. Und so führt sie den Jungen durch die Geschichte der Stadt: begonnen bei der Entdeckung Mannahittis im Jahre 1524, über Prohibition und die Machenschaften Al Capones bis zum Hip-Hop.

In einzelnen Spielszenen schlüpfen Vater und Mutter in die Haut armer jüdischer Emigranten, verwandeln sich in Al Capone und seine nasepopelnde Zwanzigerjahreschlampe, in verzückte Beatniks, psychedelische Pamphlete verlesend. Und schließlich fegt Uwe Bergeest auch noch im Glitterdress als hüftschwingender Elvis Presley die Stufen zur Bühne hinab. Immer wieder treffen die Kinder in diesen Szenen auch auf ein todlangweiliges Erwachsenenpaar, einen haarsträubenden Beziehungsclinch austragend. Doch die Kinder haben Wichtigeres zu tun, als dem zuzuhören, denn ihr Begleiter, der Taxifahrer, fährt weiter.

Das ist vom Stück her ganz hübsch angelegt: die große Geschichte, ihre Gewalt, ihre Katastrophen. Das gehört nun mal zu dieser merkwürdigen Erwachsenenwelt, die die KInder aus gutem Grund nicht wirklich verstehen. Wie soll das denn gehen, mit der Welt? Und dass die Kinder da einfach mehr Durchblick haben, zeigt sich auch in der Inszenierung selbst. Denn Angelo Rüggeberg und Teresa Schulte spielen die Erwachsenen glatt an die Wand. Jimmy Rivers als Marvin kann als einziger diesen Swing der Kinder mittanzen, und die gemeinsamen Stepeinlagen sind weitaus professioneller als das, was Irene Eichenberger und Uwe Bergeest als Broadway-TänzerIn und in anderen Rollen bieten. Blass, gebremst, genuschelt und selten komisch wirkt das.

Und was Uwe Bergeest als Elvis überhaupt nicht hinbekommt: das Playback synchron zu covern, schafft die äußerst lebendige, kleine Freiheitsstatue technisch perfekt und mitreißend frisch. Bei ihrer James Brown Ansage tobt der Saal. Auch Angelo Rüggeberg ist in seiner Rolle als schüchterner Europäer eine sehr stimmige Besetzung.

Doch leider leider, nicht der dramaturgische Fluss, nicht zuletzt gespeist von der überragenden Leistung der Kinder, wird zu häufig ausgebremst. Man hat den Eindruck, die Erwachsenen würden auf die Kinder warten. Verstehe wer will. Und so bleibt von einem ambitionierten Projekt dann vor allem ein hölzerner, holpriger Eindruck hängen. Schade.

Marijke Gerwin

Aufführung heute in der Kulturetage Oldenburg um 20 Uhr